Tee-Ernte: Darling Darjeeling

Hype vom Himalaya: Die erste Tee-Ernte des Jahres, der Darjeeling First Flush, ist da. Dieses Jahr ohne Verzögerungen.

Teekannen und europäische Füße haben eines gemeinsam: Sie brauchen im nordostindischen Frühling noch ein wenig Wärmeunterstützung. Für die Kanne lautet die Lösung Tea Cosy, eine Art überdimensionierter Eierwärmer aus gefüttertem Stoff, während auf die kalten Füße in den ungeheizten Hotels in Darjeeling Wärmflaschen warten. (Deren englische Bezeichnung klingt nicht ganz so liebreizend wie die der Kannenwärmer.) Ein Tea Cosy ist, wenn es nach Teehändler Andrew Demmer geht, für den warm zu haltenden Tee viel besser als ein Stövchen, dessen Flamme den Tee mehr erhitzt als nötig. Folglich ist Demmer ganz entzückt, als der erste heurige Tee unter einer solchen Haube auf ihn und die kleine Reisegruppe wartet, im Tea Estate Tumsong, am Fuß des Kanchenjunga, des dritthöchsten Berges der Welt (der sich bedauerlicherweise lieber im Nebel versteckte).

Erst am Vortag wurden die Teeblätter hier gepflückt und in der Tea Factory gewelkt und gerollt, woraufhin die Blattsäfte austraten und oxidierten, und getrocknet. Frischer kann man Tee nicht trinken, gelb leuchtet er in der Tasse. Er schmeckt naturgemäß noch eine Spur jünger als jene Pflückungen, die unter dem Namen „Darjeeling First Flush“ dieser Tage per Flugzeug bei uns eintreffen und daher auch Flugtees genannt werden. Nicht jeder Teeliebhaber zählt freilich diese allerersten Darjeeling-Ernten, um die jedes Jahr international ein Wettkampf herrscht, zu seinen persönlichen Favoriten. Andrew Demmer etwa weiß zwar die Qualität des auf Tumsong produzierten Bio-First-Flushs sehr zu schätzen, skizziert aber seine eigenen Geschmacksvorlieben angesichts der hellen Tasse so: „Wenn ich in einen Tee nicht hineinbeißen kann, fehlt mir etwas.“ Für andere Teetrinker gehört Darjeeling First Flush wiederum zu den Lieblingstees, ein solch ungewöhnliches, duftiges Aroma findet man sonst nicht.

TIPP

Um die Wette. In diesen Wochen, in denen die ersten Tees aus Darjeeling eingeflogen werden, sind auf den Homepages der renommierten Teehändler vermutlich mehr Zugriffe als sonst zu verzeichnen. Online ist nämlich ersichtlich, wer wann was anzubieten hat. Während im Vorjahr aufgrund innenpolitischer Turbulenzen in Darjeeling in Sachen Tee (die Pflücker forderten mehr Lohn) eine Ausfuhrsperre für den First Flush herrschte und die Händler hierzulande lange nicht wussten, wann sie nun die ersten Tees in ihren Geschäften haben würden, liegt man heuer normal in der Zeit. Sprich: Die ersten Tees sind schon zu haben, andere Händler haben etwas länger gewartet und bieten erst seit Mitte April Darjeeling First Flush an. Denn die allerersten Partien, die manche Teehändler schon im März führen, sind eher nicht die besten, oft schmecken sie noch recht dünn und blass. „Dieses lächerliche Ich-will-Erster-Sein jedes Jahr!“, sagt etwa Teegroßhändler Marcus Wulf aus Hamburg, von dem das Teehaus Demmer viele Tees bezieht. „Die ersten Ernten kommen natürlich aus tieferen Lagen, wo es im März schon wärmer ist, von dort kommt aber bekanntermaßen oft schlechtere Qualität. Auch deshalb, weil in tieferen Lagen die Assamica-Teepflanze vorherrscht“, erklärt er. Es sei aber die Camellia sinensis, die den feineren Geschmack habe, ein geradezu „tanzendes“ Aroma. „Die allerallerersten Darjeelings haben oft keine Süße, schmecken kantig.“ Ausnahmen bestätigen die Regel, beim First Flush etwas abzuwarten und nur Tee aus höheren Lagen einzukaufen, sei aber sicher nicht die schlechteste Taktik. Andrew Demmer erklärt die Qualität der höheren Lagen, die das „Schaufenster“ besuchte, so: „Der Teepflanze tut Stress gut, also dünnere Luft, kalte Nächte. Und die Blätter sind weiter oben feiner, also könnte man sagen, die Tees sind etwas weniger ordinär.“

Begehrt. Der abgelutschte Begriff „Champagner des Tees“ – viele Medien übernehmen dankbar diese griffige Bezeichnung für Darjeeling – gilt seit dem Vorjahr, wenn schon, ein bisschen mehr: Wie die Region Champagne hat auch der nordostindische Distrikt durchgesetzt, dass nur mehr Tee, der zu hundert Prozent in Darjeeling angebaut und verarbeitet wird, Darjeeling heißen darf. Davor war es erlaubt, auch Blends mit gewissen Anteilen aus anderen Anbaugebieten als Darjeeling zu bezeichnen. Und auch die Preise werden immer champagnerähnlicher. Was beim First Flush natürlich mit dem Flugtransport zusammenhängt, der teurer als das sonst übliche Verschiffen ist, aber auch mit der Verfügbarkeit: Es gibt einfach ziemlich wenig Tee aus Darjeeling, nämlich acht Millionen Kilo pro Jahr, das sind nur 0,3 Prozent der weltweiten Teeproduktion. Darjeeling ist schließlich das kleinste zusammenhängende Teegebiet der Welt. Tee aus Darjeeling ist also zwar global gesehen völlig unwichtig, nachdem aber besonders der First Flush so begehrt ist und sich die internationalen Teehändler immer wieder überbieten, steigen natürlich die Preise.
Schon sechzig Prozent des Tees aus Darjeeling sind übrigens mittlerweile bio. „Daran haben vor allem die Deutschen und die Österreicher großen Anteil“, sagt Andrew Demmer, der sich heuer drei First Flushs in Bioqualität sicherte, „die Konsumenten fordern das, und die Teeplantagen gehen darauf ein. Da sieht man, welchen Einfluss die Konsumenten haben können!“

Darjeeling First Flush ist jetzt im Handel. Aufgrund seines duftigen Charakters trinkt man ihn idealerweise gleich in den nächsten Wochen, danach verliert er an Aroma und dunkelt nach. Hier der beste der heurigen First Flushs von Demmer, aus Puttabong von etwa 2000 Meter Höhe. 100 g um 25,80 Euro. www.tee.at

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