Kamelien: Kühle Schöne in Schwindsuchtgefahr

(c) Ute Woltron
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Die asiatischen Halbsträucher zählen zu den faszinierendsten Pflanzen, die der Kolonialismus am anderen Ende der Welt aus- und bei uns in Glashäusern eingebuddelt hat.

Ich eigne mich in keiner Hinsicht zur Kameliendame und in einer tut mir das ausgesprochen leid: Die rechte Kamelienpflege wird mir nie gelingen. Ich versuche es auch gar nicht mehr, denn ich kann den Ansprüchen dieser Schönen nicht genügen, und es quält mich, sie abermals leiden zu sehen. Die gesündesten Kamelien beginnen unter meinen Händen in der Sekunde zu kränkeln, zu welken und ihre Blätter abzuwerfen. Blütenknospen senken die Köpfe, möglicherweise bereits Erblühtem kann man dabei zuschauen, wie es zu trauern beginnt und zielstrebig verstirbt. Kamelien und übrigens auch ihre kleineren Verwandten, die Azaleen, die mir gelegentlich doch unvorsichtigerweise noch anvertraut werden, vergehen wie die Schwindsüchtigen in der Zeit vor Robert Koch, als man noch keine Medizin für sie gefunden hat.

Im Fall der Kamelie ist die Arznei jedoch tatsächlich simpel, und ich werde keinen Nobelpreis dafür einheimsen, wenn ich Ihnen verrate, wie es ginge, wenn man es könnte: nämlich die fantastisch schönen Asiatinnen richtig zu behandeln. Wer sie in warme, trockene Wohnzimmer holt, verurteilt sie unweigerlich zum Tode. Sie wollen vielmehr in der feuchten Kühle eines temperierten Glashauses angebetet werden, dessen Gestalt in seiner Zierlichkeit im Idealfall der Anmut dieser Blüten gerecht wird. Denn, falls man das noch nicht zwischen den Zeilen herauslesen konnte: Kamelien zählen zu den bezauberndsten Pflanzen, die man ums Eck bringen kann.

Nicht zuletzt die Kamelie war es, der zuliebe die englische und französische Aristokratie mit Dampf beheizte Glaspaläste in ihre Parks stellte. Die Kamelie war lange die kostbare Blume des Adels und der Betuchten, ein Symbol für Reichtum und Dekadenz.

Ob die von Alexandre Dumas als Kameliendame beschriebene, 1847 mit 23 Jahren von der Schwindsucht hinweggeraffte Kurtisane Marie Duplessis tatsächlich ausschließlich mit Kamelien ihr Mieder zierte, weiß man nicht, doch es könnte wohl so gewesen sein.

Die Halbsträucher, die in Ausnahmefällen bis zu 15 Meter hoch werden können, blühen mindestens so schön wie Rosen. Vielleicht sogar noch schöner. Stellen Sie sich einen großen Baum mit Rosenblüten vor, dann haben Sie das Bild. Diese zarten, wie aus feinem Porzellan geformten Kamelienblüten sind die Pracht des Winters. Jetzt ist die Zeit, in der sie sich öffnen, und wenn man über besagte Idealbedingungen verfügt, blühen sie bis zu sechs Wochen lang. Eine berauschende Kombination von blühenden Kamelien in würdiger Umgebung lässt sich derzeit im teils bereits frisch renovierten Schönbrunner Palmenhaus in Wien betrachten. Nebst vielen fast ebenso schönen Azaleen in allen Weiß-Rosa-Lila-Tönen. Doch die hohen, eleganten Kamelien, die im Kalthaus ihre Äste fast bis zur gläsernen Decke strecken, sind ein Genuss für sich.

Briten und Portugiesen streiten bis heute darüber, wer die ersten Kamelienimporteure waren. Die wahrscheinlichste Anekdote spielt eher den Engländern zu. Denn die wollten als alte Kolonialherren ihren Tee nicht weiter in China kaufen, sondern selbst anbauen. Die Teepflanze ist, wer's nicht weiß, ebenfalls eine nicht unhübsche Kamelie. Die Chinesen jubelten den Engländern jedoch lieber die zierlichere, weniger schmackhafte Zierverwandte unter. Die trieb dann auf der Insel zwar niemals aromatische Teeblätter, doch eben diese berückend schönen Blüten. So kamen die chinesische Camellia sinensis und später die japanische Camellia japonica in den europäischen Gärten zu Ehren. Wo es milde ist, gedeihen die Pflanzen auch im Freien bestens. Sie vertragen Frost bis etwa minus fünf Grad, das gefällt ihnen sogar. Kübelpflanzen sollte man ebenfalls erst ab Minustemperaturen einräumen. Die Blüten brauchen Kälte, um sich zu öffnen. Ein saures Substrat, spezielle Dünger, kalkfreies Gießwasser und nie austrocknende Wurzelballen runden das Kamelienpflegeprogramm ab.

Würde ich ja alles sofort mit Begeisterung machen, doch diese helle Kühle kann ich mangels des Luxus eines sogenannten Kalthauses nicht bieten. Wenn Sie, geschätzte Leserschaft, jedoch über zwar lichte, jedoch nicht sonnige und auf jeden Fall kühle bis kalte Stiegenhäuser verfügen, holen Sie sich doch eine dieser Pflanzen nach Hause. Sie zählen zum Schönsten, was der Winter zu bieten hat.

Gartenlaube unter Glas

Im Schönbrunner Palmenhaus wachsen rund ums Jahr 25 große Kamelien. Für die derzeit dort zu bewundernde Azaleen- und Kamelienausstellung arrangieren die Bundesgärtner zusätzlich bis Ende März die gerade blühenden Exemplare aus der Botanischen Sammlung. Da die mehrere Hundert dieser Prachtpflanzen umfasst, kann man im Lauf der Wochen die vielfältigsten Sorten in Blüte erleben. Täglich von 9.30 bis 17.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2013)

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