„Sogar das FBI verwendet unser System“

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Im Fall des Bruders von Reinhold Messner sorgte die in Innsbruck optimierte Analyse-Methode für Klarheit.

Als im Jahr 2000 die Überreste eines Toten im Himalaya-Gebirge gefunden wurden, die zu Reinhold Messners Beschreibungen passten, wo er seinen Bruder beim Bergabstieg im Juni 1970 verloren hatte, war zunächst durch klassische Analyse der Kern-DNA keine Aussage möglich, ob es sich tatsächlich um Günther Messner handelte.

Erst die Innsbrucker Analyse der mitochondrialen DNA (mtDNA) brachte Belege, dass die gefundenen Knochenreste von Reinholds Bruder stammen. „Die Zellkerne werden schneller abgebaut und sind in vielen Gewebeproben nicht mehr vorhanden. Daher verwenden wir die DNA aus den Mitochondrien. Diese bleibt auch in sehr altem biologischen Material erhalten“, erklärt Walther Parson vom Institut für Gerichtliche Medizin der Med-Uni Innsbruck.

Geschwister: Idente mtDNA

Auch zur Prüfung des berühmten Mozart-Schädels wurde die mitochondriale DNA verwendet. In dem Fall konnte jedoch keine Aussage getroffen werden: Die Knochen aus dem Mozart'schen Familiengrab in Salzburg stammten laut mtDNA-Analyse nicht aus derselben Familie. Daher konnte nicht bestätigt werden, ob es sich bei dem Schädel um Mozarts Haupt handelte.

Die mitochondriale DNA wird nicht von beiden Eltern sondern nur mütterlichseits vererbt. Zudem erfolgt in den Mitochondrien bei der Vererbung keine Durchmischung des Genmaterials. Das heißt, leibliche Geschwister besitzen in ihren Körperzellen identische mtDNA. „Die Prüfung der Verwandtschaft über die mütterliche Linie kann wertvolle Hinweise für die Identifikation von zunächst unbekannten Opfern liefern, wie zum Beispiel bei Großkatastrophen. Jedoch kann man etwa Geschwister nicht voneinander unterscheiden“, sagt Parson.

Als Gerichtsmediziner arbeitet Parson freilich nach dem Anspruch, niemanden ungerechtfertigt zu belasten. Das wäre aber durch fehlerhafte mtDNA-Datensätze möglich. Daher entwickelte er mit Kollegen des Instituts für Mathematik Software-Tools, mit der moderne mtDNA-Datenbanken auf ihre Qualität geprüft werden können.

Haar kann Aufschluss geben

Das Verfahren der mtDNA-Analysen basiert auf dem Vergleich einer Kontrollregionsequenz aus dem vorliegenden Gewebe mit einer Referenzsequenz, die 1981 von englischen Forschern erstellt wurde. Weltweit werden die Unterschiede der Basenpaare von aktuell getesteten Kontrollsequenzen im Vergleich zu den Daten der Referenzsequenz in Datenbanken gespeichert. Das Muster der Abweichungen vom Referenzwert zeigt die individuelle Signatur des getesteten Materials. Wird beispielsweise am Tatort ein Haar gefunden, dessen mtDNA eine bestimmte Signatur aufweist, und man hat eine verdächtigte Person mit demselben mtDNA-Muster, dann kommen Datenbanken ins Spiel. Denn nur diese können dem Gericht Hinweise geben, ob die gefundene Übereinstimmung zufällig oder kausal begründet sein kann. Kommt die gefundene Signatur in der Datenbank selten vor, wird die Übereinstimmung zwischen der mtDNA des Haares am Tatort und der des Verdächtigen schwerer wiegen.

„Das Problem ist, dass mtDNA Datenbanken sehr anfällig für Fehler sind“, berichtet Parson. Je mehr fehlerhafte Sequenzen eine Datenbank enthält, umso geringer wird die statistische Häufigkeit der gesuchten Signatur, da fehlerhafte Datenbankeinträge nie zu einem Treffer führen. „Die Fehler passieren aus banalen Gründen“, klärt Parson auf. Am häufigsten kommen schlichte Tippfehler vor, bei denen Positionsnummern der Basenpaare falsch in eingegeben werden, z.B. 326 statt 362. Weiters können Störfaktoren bei der Sequenzierung unentdeckt bleiben.

Grafik erkennt Fehler

„Um zu erkennen, wo in bestehenden Datenbanken Fehler vorhanden sind, hat das Team um den Mathematiker Arne Dür Software-Tools produziert, die auf graphische Weise die Fehler hervorheben“, erklärt der Gerichtsmediziner. Die Software bildet komplexe Datenmengen in Form von Netzwerken ab. Korrekte Datensätze ergeben simple Netzwerke.

Stechen einige Sequenzen heraus, so wird das Netzwerk komplizierter dargestellt: Je unübersichtlicher der Graph, umso wahrscheinlicher ist es, dass es sich um Fehler der Datenbank handelt. „In der Gerichtsmedizin hat sich dieses Tool so stark durchgesetzt, dass führende Fachzeitschriften verlangen, die forensische mtDNA-Analyse nach Innsbrucker Standards durchzuführen“, kann Parson stolz berichten: „Sogar das FBI verwendet nun unser System.“

www.gerichtsmedizin.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2008)

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