Schwitzpatscherln und "Loslass"-Whirlpools

Whirlpool
WhirlpoolMichaela Seidler
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Die meisten Detox-Trends kommen aus den USA. Der Wille zum Entschlacken treibt dort oft skurrile Blüten.

Wer erinnert sich noch an den Loslassraum, in den Sasha Walleczek die Kandidaten ihrer Diät-Show „Du bist was du isst“ auf ATV geschickt hat? Wie die Abnehmwilligen mit verzwickten Mienen im Wartezimmer ausgeharrt haben, das Kommende fürchtend? Um später in mehrfacher Hinsicht erleichtert aus dem Behandlungsraum zu wandeln und zu sagen, war eh nicht so schlimm? Vielleicht war es auch das wenig appetitliche Ambiente, das die Sendungsmacher im Laufe der Staffeln veranlasste, sich vom Drehen im Loslassraum zu verabschieden. Dabei hätte man bloß Anleihe bei den Amerikanern nehmen müssen: Die verstehen es, eine Analdusche in ein Erlebnis zu verwandeln.

Das fängt bei der Begrifflichkeit an. Hydrotherapy oder Colonic Cleansing klingt wesentlich freundlicher und anziehender als der germanisch-trockene Einlauf. Weil die Detox-Welle in den Staaten nach wie vor ungebrochen ist und dementsprechend ein riesiges Geschäft, wird alles daran gesetzt, das Maximum aus der Kundschaft herauszuholen. Im Falle der Hydrotherapy sogar buchstäblich. Dabei setzen die Anbieter dieser Dienste auf Wohlfühlatmosphäre und Spa-Schick: Beim Durchputzen soll Privatsphäre, Würde und Schmerzfreiheit gewährleistet sein, verspricht etwa das European Rejuvenation Center, das im Nobelvorort Bellevue nahe der Technik-Metropole Seattle eine zahlungskräftige Kundschaft anspricht und mit dem Rolls-Royce unter den Spülgeräten wirbt. Und tatsächlich, das Design der Anlage erinnert vielmehr an einen Whirlpool als an den kargen Behandlungstisch mit Schläuchen und Pumpen, der sich in das kollektive Gedächtnis der Walleczek-Fans eingebrannt hat. Noch exklusiver entschlackt es sich naturgemäß in Hollywood oder Beverly Hills, wo zwischen verschiedenen Luxusoptionen mit Kräutereinläufen und Reiki-Beschwörung gewählt werden kann.

Schwitzen ohne Bewegen

Der größte Run im Detox-Geschäft geht allerdings in eine andere Richtung: zum Schwitzen. Infrarot-Behandlungen boomen, weil die Anbieter damit werben, dass bis zu 15 Prozent der Toxine des Körpers über die Haut ausgeschieden werden – dank der Schweißporen. Alle wollen schwitzen, aber keiner will sich bewegen, und zu heiß soll es auch nicht werden. Deshalb schwören Profi-Entschlacker auf Infrarot-Saunen, bei denen die Wärme über Strahlung direkt an der Haut entsteht. Das fühlt sich angenehmer an als die brütende Hitze konventioneller Saunen.

Es wäre aber nicht Amerika, wenn das Konzept nicht noch mehr Richtung Convenience gepusht werden könnte. Findige Geschäftsleute haben sich für die Schwitz-Therapie eine besondere Körperregion ausgesucht: die Fußsohlen. Dort liegen neben Hand- und Stirnfläche die meisten Schweißdrüsen, ergo lässt sich hier einiges an körpereigenen Giften abzapfen. Rund 250.000 Schweißdrüsen pro Fußsohle sind Grund genug für willige Konsumenten, sich mit Detox Food Pads einzudecken. Diese kleinen Saunen für die Füße sind für ein paar Dollar zu haben. Ihr Effekt ist in der Detox-Community aber umstritten – Studien über die Wirksamkeit gibt es keine.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2016)

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