Probiotisches Joghurt: Bakterien für das Immunsystem

Probiotisches Joghurt Bakterien fuer
Probiotisches Joghurt Bakterien fuer(c) FABRY Clemens
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Alle Joghurts sind gesund, aber manche sind gesünder – behaupten zumindest die Hersteller probiotischer Joghurts. Die Wissenschaft sieht das mit einiger Skepsis.

Ein Schutzfilm, der sich um den Körper legt und Krankheitserreger abprallen lässt. Wer regelmäßig Werbung im TV sieht, kennt dieses Bild. Verantwortlich dafür soll laut Werbespot ein Joghurt sein, das möglichst regelmäßig zu sich genommen werden soll. Und natürlich handelt es sich nicht um irgendein Joghurt – sondern um ein probiotisches.

Probiotisch, das bedeutet vereinfacht gesagt nichts anderes, als dass das Joghurt lebende Mikroorganismen enthält, die sich in der Darmlandschaft ausbreiten und dort positiv wirken sollen. Das wäre an sich nicht außergewöhnlich, schließlich wird Joghurt durch Milchsäurebakterien hergestellt. Doch die bei der traditionellen Erzeugung eingesetzten Bakterienstämme sind nicht säure- und gallensaftresistent – und sterben schon zum Großteil in der Magenregion ab. Probiotische Mikroorganismen hingegen schaffen es in großer Zahl lebend in den Darm und sollen dort ihre Wirkung entfalten.


Jedes Joghurt wirkt. Wie diese Wirkung aussieht und ob es sie tatsächlich gibt, darüber herrscht aber keine Einigkeit. Während die Hersteller argumentieren, dass probiotisches Joghurt die Abwehrkräfte stärkt, sind viele Ernährungswissenschaftler skeptisch. „Joghurt ist gesund“, ist eine der am häufigsten zu hörenden Expertisen, verbunden mit dem Nachsatz: „egal, ob konventionell oder probiotisch“. Zu diesem Ergebnis kam auch eine 2006 publizierte Studie des Instituts für Ernährungswissenschaften der Uni Wien. „Das hat sich durch alle Parameter gezeigt“, sagt Elisabeth Fabian, die maßgeblich an dieser Studie mitgewirkt hat.

Sind probiotische Joghurts also nur eine teure Augenauswischerei? Diese Aussage will die Ernährungswissenschaftlerin so nicht stehen lassen. Schließlich gebe es auch Studienergebnisse, die einen Effekt nachwiesen. Problematisch sei aber, dass die Studien untereinander kaum vergleichbar seien. „Nicht jedes Bakterium, das mit Lactobacillus anfängt, hat die gleiche Wirkung“, so Fabian. Und jedes Produkt enthalte andere Keime.

Auch die Methoden sind durchwegs unterschiedlich. „In vielen Studien werden Kapseln mit höherer Dosierung verwendet.“ Und manche Untersuchungen würden speziell an Menschen durchgeführt, die an Durchfall litten – „und da ist es klar, dass das probiotische Joghurt wirkt“. Allein – ein konventionelles Joghurt hätte auch geholfen. Geworben wird mit solchen Studien dennoch – etwa damit, dass die gesundheitsfördernden Effekte „wissenschaftlich erwiesen“ seien.

Möglicherweise ist mit solchen „Health Claims“ aber schon bald Schluss. So lehnte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit im Vorjahr mehr als die Hälfte derartiger Angaben ab, weil sie wissenschaftlich unzureichend bewiesen waren. Die Organisation „Foodwatch“ verlieh Actimel-Hersteller Danone 2009 den „Goldenen Windbeutel für die dreisteste Werbelüge“. In Großbritannien wurde sogar ein Werbespot aus dem Programm genommen. Zuletzt zog Danone zwei Anträge auf Bestätigung der gesundheitsfördernden Wirkung von Acitivia und Actimel zurück – wegen Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung, wie der Konzern sagt.

Aber auch an einer anderen Front tobt ein Kampf – diesmal initiiert von Danone. Der französische Konzern, der sein probiotisches Joghurt mit dem Slogan bewirbt, dass es die Abwehrkräfte stärke, klagte die Agrarmarkt Austria (AMA). Grund: Die Agentur, die heimische Lebensmittel fördern soll, hatte eine Kampagne gestartet, die die Botschaft verbreitete: „Jedes Joghurt stärkt Ihre Abwehrkräfte.“

Danone sah sich direkt angegriffen und behauptete das Gegenteil. Die AMA wiederum wirft Danone vor, die positive Wirkung von Joghurt monopolisieren zu wollen. Eine Entscheidung des Rechtsstreits, der seit rund zwei Monaten tobt, steht noch aus. Für Danone geht es um viel, schließlich ist Actimel ein Umsatzbringer: 20 Millionen Euro jährlich soll der Umsatz in Österreich betragen. Weltweit wird der Actimel-Umsatz mit rund einer Milliarde Euro beziffert.


Guter Geschmack, viel Zucker. Das Geschäft läuft also. Und das, obwohl probiotische Joghurts rund viermal so teuer wie herkömmliche Joghurts sind. „Für probiotische Joghurts muss man mehr bezahlen, darum muss der Geschmack stärker sein.“ Ernährungswissenschaftlerin Birgit Lahm hat sich speziell mit den geschmacklichen Aspekten von Joghurt auseinandergesetzt. „Experten haben probiotische Joghurts besser beurteilt“, etwa bei Geschmack, Geruch und Konsistenz.

„Sie sind homogener, weniger klumpig“, meint die Expertin, „das Joghurt fühlt sich glatt an. So entsteht der Eindruck, dass es besser ist.“ Dass der Geschmack besser beurteilt wird, hat aber auch eine Schattenseite – einen rund viermal so hohen Zuckeranteil wie herkömmliches Joghurt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2010)

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