Gudrun Pflüger: „Die mit den Wölfen spielte“

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Die Biologin Gudrun Pflüger hat Wölfe zu ihrem Lebensthema gemacht – auch deshalb, weil Pflüger ihr Bild von ausdauernden und kraftvollen Wölfen beim Überwinden ihrer schweren Erkrankung halfen.

Die Klassiker „Rotkäppchen“ oder „Der Wolf und die sieben Geißlein“ stehen definitiv nicht auf der Liste jener Geschichten, die Gudrun Pflüger ihrem dreijährigen Sohn Conrad zum Einschlafen vorliest. Der böse Wolf – dieses Bild soll bei ihrem Buben erst gar nicht aufkommen. Für die 40-jährige Salzburgerin sind Wölfe alles andere als böse. Willensstark, ausdauernd, sozial, geduldig, freundlich: So beschreibt die Biologin den Charakter der Beutegreifer, die langsam, aber sicher wieder in unsere Breiten einwandern und damit bei vielen Menschen für Verunsicherung sorgen. „Wolfspirit – Meine Geschichte von Wölfen und Wundern“ heißt ein Buch, das die ehemalige Profisportlerin – Pflüger war im Skilanglauf und im Berglauf erfolgreich – gerade auf der Frankfurter Buchmesse präsentiert hat.

Mit ihrem Bild von ausdauernden und kraftvollen Wölfen vor Augen schaffte sie es, im Jahr 2005 bei der niederschmetternden Diagnose Gehirntumor nicht zu verzweifeln, sondern wieder Hoffnung zu schöpfen. „Der Wolf zeigt sich dir nur, wenn er dir etwas mitteilen will“, lautet ein indianisches Sprichwort. „Gib niemals auf!“ war für Pflüger die Botschaft, aus der sie in dunklen Zeiten viel Kraft schöpfte. Nicht aufzugeben hatte die Spitzensportlerin schon bei den Wettkämpfen auf Langlaufskiern der „World Loppet“-Serie gelernt.

Bekannt geworden ist die Salzburgerin, als es ihr im Jahr 2005 auf einer Wiese in British Columbia während der Dreharbeiten zu einer Dokumentation über die Küstenwölfe zufällig gelang, auf Tuchfühlung mit einem wilden Rudel zu gehen. Tiere, die aller Wahrscheinlichkeit nach zuvor noch nie Kontakt mit Menschen gehabt hatten, akzeptierten die Biologin, ließen sich beim Spielen und Herumtollen beobachten und nahmen die Forscherin für einen Nachmittag in ihre Mitte auf.

So etwas kann man nicht planen, das war eigentlich ein Wunder“, erzählt die Biologin. Normalerweise würden die Tiere beim Anblick eines Menschen fliehen oder – wenn sie sich bedroht fühlen – angreifen. „Doch in diesem Fall hat sich die Leitwölfin die Situation ausgesucht, sie ist mit ihrem Rudel zu mir auf die Wiese gekommen.“

Nach ihrem Studium hatte sich die Salzburgerin spontan bei einem Wolfsforschungsprojekt in Kanada beworben. Aus dem Aufenthalt für ein paar Monate sind neun Jahre auf den Spuren der Wölfe in der Wildnis geworden.
Zwei Wochen nach der denkwürdigen Begegnung mit den Tieren änderte sich das Leben der damals 33-Jährigen komplett: Bei der jungen Frau wurde ein Gehirntumor diagnostiziert. „Du hast möglicherweise nicht mehr viel Zeit“, teilten ihr die Ärzte damals mit. Es folgten eine Operation und lange, anstrengende Therapien. Pflüger hatte Glück, sie wurde wieder gesund. Und am Ende der Therapie klopfte das Leben an: Die Salzburgerin wurde überraschend schwanger. Weil die Beziehung nicht hielt, ging sie zurück nach Salzburg. Seit sie wieder in Österreich ist, wird der Wolf auch bei uns immer mehr zum Thema. „Die natürliche Rückkehr der Wölfe steht an. Es gibt sehr viele Populationen in Norditalien, Deutschland, Slowenien oder der Slowakei. Er kommt wieder“, ist sich die Salzburgerin sicher.

Für Pflüger ist diese Rückkehr einer einst heimischen Art auch eine Art Test für die Gesellschaft: „Wie tolerant sind wir gegenüber Zuwanderern, wie flexibel sind wir noch, um mit natürlichen Prozessen in unserem Ökosystem umzugehen?“ Mit ihrem Buch will sie auch Mut machen, sich den Veränderungen in der Natur zu stellen und für Neues offen zu sein. Sie träumt davon, auch in Österreich irgendwann mit Wölfen zu arbeiten. Ihr Herzenswunsch ist es aber, eines Tages nach Kanada zurückzukehren. Bis dahin erinnern sie in ihrer Wohnung in Radstadt die Wolfsbilder und die vielen Plüschwölfe ihres kleinen Sohnes an ihre Seelenheimat.

Auf einen Blick

Gudrun Pflüger (40) ist Biologin und ehemalige Langlauf-, Berglauf- und Crosslauf-Sportlerin. Sie war zehn Jahre im Spitzensport und gewann u. a. mehrmals die Weltmeisterschaft im Berglauf. Nicht zuletzt dank ihrer Ausdauer bekam sie eine Stelle als Wolfsforscherin in Kanada. Buch: „Wolfspirit – Meine Geschichte von Wölfen und Wundern“, Patmos, 20,60 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2012)

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