Moretti als Vorarlberger: „Des isch“ der neue Landkrimi

Alles Fleisch ist Gras
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Reinhold Bilgeri und Tobias Moretti haben in Vorarlberg einen „Landkrimi“ von Christian Mähr verfilmt – gesprochen wird „Ländle-Esperanto“.

Das Rote Haus steht seit 1639 auf dem Marktplatz von Dornbirn. „Huus“, müsste man hier zu ihm sagen. Es hat spitze Giebel, ist wirklich mit rotem Holz verkleidet und sieht ein wenig aus wie im Märchen. Eine Rolle im Film spielt es zwar nicht, für ein Abendessen mit den Schauspielern liefert es aber passendes Lokalkolorit.

Denn der ORF dreht neuerdings „Landkrimis“: Verfilmungen von Romanen oder auch Originaldrehbüchern, die in einem Bundesland angesiedelt sind. Weshalb man nun mit Reinhold Bilgeri, Tobias Moretti und Wolfgang Böck, mit Anna Unterberger und Petra Morzé im oberen Stock des Roten Hauses sitzt und bei Tafelspitz und Saibling abgründige Dinge bespricht.

„Alles Fleisch ist Gras“, heißt der Vorarlberg-Krimi, der hier seit Mitte September gedreht wird, und Wolfgang Böck lässt darin jenen Mann, der ihn und seine Geliebte erpresst hat, im Häcksler der Abwasserreinigungsanlage verschwinden. „Dort werden die Fäkalien verarbeitet und Leichen anaerob entsorgt“, sagt Regisseur Reinhold Bilgeri trocken. „Die DNS ist da weg, das ist Blumenerde“, formuliert es Christian Mähr, in Feldkirch geborener Autor, studierter Chemiker und lange Zeit Wissenschaftsjournalist, dessen Roman hier verfilmt wird. Tolle Erde übrigens, „der Mais wächst drei- bis viermal so hoch.“Germanist Bilgeri, der selbst Bücher schreibt und Mähr seit Jahrzehnten kennt, ist (vom Buch) begeistert: „Eine Brillanz, die Kehlmann nicht nachsteht. Irgendwann wird er auf dem Weltmarkt explodieren, hoffe ich.“ Sein eigener Anspruch für die Verfilmung ist hoch. „Irgendwo zwischen Groteske und Parabel“ sieht er sein Auftragswerk angesiedelt, inhaltlich als eine Gratwanderung: „Menschen wollen das Gute und müssen, um es zu erreichen, Böses tun.“ Halt so, dass es das 20.15-Uhr-Publikum nachvollziehen kann. Und trotzdem schräg.

Tobias Moretti gibt den Kommissar, der selbst zu morden beginnt. Als er das Drehbuch bekam, habe er gedacht, es handle sich um einen Kinofilm, sagt Moretti. Und: „Auf Vorarlbergisch zu drehen, bedeutet für mich das absolute Lebens-Waterloo. Als Tiroler bin ich jetzt angekommen – und kann nie mehr heim.“ Immerhin ist Moretti mit einer Vorarlbergerin verheiratet.

Ein „stranges“ Vorarlbergerisch, eine Art Ländle-Esperanto, hat Bilgeri der Truppe verordnet: Der ORF wollte das Idiom verortet haben. „Ich hab ein paar Referenzleute“, sagt Bilgeri. „Meinen Tonmann, der ist Wiener, oder die Cutterin.“ Wenn die nichts verstehen, besteht Änderungsbedarf. Leicht sei seine Arbeit als „Vokaldompteur“ nicht. „Vorarlberg hat zwölf Dialekträume, und innerhalb derer 30, 40 Dialekte. Sieben Kilometer von hier reden die Leute so, dass ich sie nicht versteh.“ Der Hohenemser meint Lustenau. In „Innerösterreich“ habe man indes sowieso keine Ahnung. „Die meisten meinen: Desch isch. Man sagt aber: Des isch.“

Heimvorteil für Bilgeri

Auch Böck kann auf Erfahrung zurückgreifen. Mitte der Siebziger sei er in Bregenz aus dem Zug gestiegen, um hier Theater zu spielen. „Alles, was man sonst nie hätte spielen dürfen.“ Sänger Bilgeri, der an einem neuen Roman schreibt, hat jetzt natürlich Heimvorteil. „Aber ich hab auch Feinde. Die hat hier jeder, der eine Sonnenbrille aufhat und exponiert ist.“ Dafür habe sein Filmdebüt „Atem des Himmels“ dem Ländle nicht geschadet. „Dadurch hab ich schon ein bissl einen Stein im Brett.“

AUF EINEN BLICK

„Alles Fleisch ist Gras“ nach einem Roman von Christian Mähr ist der dritte „Landkrimi“ des ORF. Er thematisiere den „ganz normalen Alltagsfaschismus“, so Mähr. Schon abgedreht sind Krimis in der Steiermark („Steirerblut“, Regie Wolfgang Murnberger) und Niederösterreich („Die Frau mit einem Schuh“, Regie Michael Glawogger). In Vorarlberg führt Reinhold Bilgeri Regie. Die Krimis stehen jeweils für sich, die ersten drei sollen im Frühjahr 2014 auf dem Programm stehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2013)

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