Hellere Stimme, dunkle Themen: Maria Bill will wieder schreiben

Maria Bill singt wieder ihre eigenen Lieder.
Maria Bill singt wieder ihre eigenen Lieder.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Im Trialog zwischen Brel, Piaf und Bill kommt die schweizerische Austropop-Stimme wieder selbst zu Wort. Ein Gespräch über Lieder und Liebe.

Es war eine heilende Watschen, die ihr Toni Böhm vor „tausend Jahren“ gegeben hat. Die Schweizerin Maria Bill war damals neu in Wien und kam zu spät zu ihrer ersten Probe am wiedereröffneten Schauspielhaus. Zur Begrüßung wurde sie ausgeschimpft. „Ich habe geheult, war so enttäuscht und wollte gleich wieder nach Hause fahren.“ Böhms Ohrfeige hat sie ausgebremst. „Damit du weißt, was wehtut, und jetzt besinn dich“, hat er gesagt. „Eigentlich ist die Watschn schuld, dass ich noch immer auf der Bühne stehe“, sagt die 67-Jährige heute. Erwartet hätte sie das jedenfalls nicht. „Wie mir als dreizehnjähriges Mädchen eingefallen ist, dass ich Schauspielerin werden möchte, war das ein Traum, der in den Sternen stand.“ Sie wollte Geschichten vermitteln, die die Zuschauer berühren – und ist fürs Erste dann doch, ganz anständig, Primarlehrerin geworden. „Was mich oft gerettet hat, wenn ich mit der Schauspielerei in Geldnot geriet.“

Über fehlende Beschäftigung konnte Bill aber selten klagen, neben den Theaterhäusern, die sie bespielte, und dem Sohn, den sie zusammen mit Michael Schottenberg aufzog, von dem sie sich vor einigen Jahren getrennt hat, feierte sie konstante Erfolge als neue Édith Piaf und fügte sich in den Kreis der Austropopper. Ihr Hit „I mecht landen“ fliegt heute noch manchmal in den Radio-Rotationen herum. „Musik und Zuschauer sind Konstanten in meinem Leben, die immer da waren, dafür liebe ich meinen Beruf.“ Aber wie steht es um die Liebe zum eigenen Repertoire, das sie im Jänner wieder auf die Bühne des Stadtsaals bringen wird? „Ich habe ja nicht unendlich viele Lieder geschrieben, vielleicht sind es 40.“ Viele hätten noch immer Gültigkeit für sie. Neues Material gibt es noch nicht, weil sie erst seit Kurzem in einer neuen Lebensphase gelandet ist, einer ohne fixes Theaterengagement. Wenn sie zur Ruhe gekommen ist, möchte Bill über ihre heutige Situation schreiben, über das Älterwerden, über das Alleinsein. „Dazu gibt es schon viele Notizen, aber ich habe noch nicht die Muße und die Gelassenheit, mich ans Klavier zu setzen und herumzuspielen. Früher habe ich das viel lockerer gemacht.“ Früher hatte die Bill übrigens auch eine rauere Stimme. Seitdem sie nicht mehr raucht, klingt sie heller. Ihr Wesen ist dagegen ein bisschen dunkler geworden. „Als junger Mensch war ich unendlich positiv eingestellt, ein Sonnenkind.“ Heute ist sie pessimistischer. „Wenn man sich die Welt ansieht, weiß keiner, wie das ausgeht.“

Ménage-à-trois

Als Sängerin führt Maria Bill seit vielen Jahren einen ausführlichen Trialog mit zwei verstorbenen Kollegen. Welche Beziehung hat sie zu Édith Piaf und Jacques Brel? „Ich würde sagen, es ginge nicht ohne sie. Piaf hat man an mich herangetragen, sie wurde ganz wichtig in meinem Leben.“ Mit einem Stück über das Pariser Wahrzeichen hatte Bill Anfang der Achtziger ihren Durchbruch. „Mittlerweile spiele ich sie nicht mehr, ich trete als Bill auf und singe ihre Lieder mit Conférencen, dabei ist mir auch sehr wohl.“ Brel habe sie dagegen immer schon mit sich herumgetragen, er hat sie getröstet, geprägt, verstanden. „Seine Texte und die Musik sind viel anspruchsvoller. Bei Piaf geht es meist um Liebe, an die sie verzweifelt geglaubt hat. Brel hat alle Probleme der Welt behandelt. Ich nehme aber beide in ihrer Verschiedenheit.“

Darüber hinaus versteht sich Bill aber auch ganz gut mit sich selbst. „Ich kann mit mir umgehen. Manchmal ärger ich mich zwar über mein Verhalten, aber ich mag mich eigentlich ganz gern. Ich kann auch gut allein sein, allein feiern, allein reisen. Ab und zu fehlt mir dann jemand, dem ich mitteilen kann, wenn etwas toll ist oder nicht. Wenn man Angst nicht teilen kann – das ist schwierig.“ Eine neue Partnerschaft nach der langen Ehe mit Schottenberg ist eine Idee, an die sie sich dennoch erst herantastet. „Das ist wahrscheinlich schwierig. Suchen kann man nicht, aber es wäre schön, im Alter nicht allein zu sein.“ Bis dahin hat sie aber kein Problem damit. „Ein gepflegtes Glas Rotwein mit Freunden ist auch wunderbar.“ Außerdem gibt es noch die Musik und das Publikum.

Zur Person

Maria Bill. Am 15. 11. 1948 in der Schweiz geboren, wuchs die Schauspielerin mit der markant brüchigen Stimme in einem Kinderdorf auf, in dem ihre Eltern arbeiteten. Auch wenn ihr das Wiener Idiom nicht im Blut lag, schaffte sie es später mit Hits wie „I mecht landen“ in die Austropop-Charts. Ihren Bühnendurchbruch feierte sie als Édith Piaf 1982, eine Figur, die sie bis heute begleitet. Maria Bill war 35 Jahre mit dem ehemaligen Volkstheater-Direktor Michael Schottenberg verheiratet. Am 10. und 11. 1. tritt sie mit „Maria singt Bill“ im Wiener Stadtsaal auf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.01.2016)

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