Wenn nur der Körper spricht: Ein ganzer Kilometer Pantomime

Nina Martin mit ihrem Mann, Paul: Arbeit an einer vergessenen Kunstform.
Nina Martin mit ihrem Mann, Paul: Arbeit an einer vergessenen Kunstform.(c) Akos Burg
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Nina Martin hat eine neue Pantomimeschule gegründet. Zum heurigen Rosenmontag plant sie in der Mariahilfer Straße eine 1111-Meter-Performance.

Entweder in Person von Samy Molcho – oder als (mitunter ungeliebte) Aufgabenkategorie im Spiel „Activity“. Das sind im Wesentlichen wohl die zwei Erscheinungsformen von Pantomime, die man in Österreich kennt. Nun gibt es eine neue: Nina Martin.

Als international ausgebildete Vertreterin naiven Theaters ist die 37-jährige Waldviertlerin neu in der Stadt. Ihr Metier ist Schauspiel ohne Worte. Jener Bereich, in dem man mit Gesicht und Körpersprache, Körperbeherrschung und Akrobatik spricht (und die Clownerie die Königsdisziplin ist). Etwas, was zwar philosophisch sein kann, dabei aber immer verständlich sein muss. Eine hohe Kunst: „Einfach zu sein ist nicht so leicht.“

Schon als kleines Kind hat Nina Martin die Gäste des elterlichen Gasthauses im Waldviertel unterhalten. Später studierte sie bei Boris Hybner in Prag nonverbales und komödiantisches Theater. Etwas, was in Österreich so gut wie keine, dort aber eine große Tradition hat. Was ihr, die Tschechisch erst spät gelernt hat und mit Akzent sprach, entgegenkam. Schließlich ist Pantomime an keine Sprache gebunden. „Mich fasziniert die Stille“, sagt sie. „Die Magie, die man damit auf einer Bühne erzeugen kann. Oder in einem Wohnzimmer oder auf der Straße.“ Die tschechische Tradition wurzelt im Kommunismus. „Unter dem Regime war es oft nicht erlaubt, die Wahrheit zu sagen, politisch zu sein. Also hat man vieles ohne Worte ausgedrückt.“

Stepptanzjahre in Florida

Nach ihrem Abschluss 2011 ging sie allein auf Tour – und landete nicht zufällig im Stepptanzland Amerika. Wo sie in Florida auf Kathrin Kramer traf, eine der letzten Grandes Dames des Genres, die etwa mit Sammy Davis, Jr. gearbeitet hat. Auch ihren Mann, Paul, einen klassischen Gitarristen, hat sie vor fünf Jahren dort kennengelernt. Auf LinkedIn – denn eigentlich war sie beruflich auf der Suche nach einem Musiker. Seit vier Jahren sind die beiden verheiratet. Ihre Künste, finden sie, seien sich ähnlich: Beide brauchen viel Übung und viel Disziplin.

Dass Martin nach einem halben Künstlerleben nun wieder in Österreich lebt, war eigentlich die Entscheidung ihres Mannes. Paul Martin war im Sommer 2016 zum ersten Mal mit im Land – und fühlte sich in der Stadt seiner Komponisten von Anfang an daheim. „Mein Instinkt hat mir gesagt, dass das der richtige Ort ist“, sagt er. „Mehr als Miami.“

Gut für Nina Martin, für die klar war, „dass ich nicht immer in den USA bleiben werde“. Ausgerechnet die Politik hat den Abschied wohl noch etwas leichter gemacht. „Die Stimmung in Miami hat sich schon geändert“, erzählt sie. Viele ihrer lateinamerikanischen Freunde „reden davon, das Land zu verlassen. Manchmal sind es leere Worte, aber manche haben wirklich einen Plan B.“

Martin ihrerseits hat für die Rückkehr sowohl ihre eigene Pantomimeschule in Miami als auch ihre Uni-Lehraufträge aufgegeben. Seit Juli lebt das Paar in Wien, im September hat es hier nun eine Schule eröffnet, als privates Institut, das, so die Hoffnung, vielleicht einmal ein Konservatorium mit Öffentlichkeitsrecht werden könnte, zumal es hier bis heute keinen Lehrgang für nonverbales Theater gibt, „nichts für den Bereich zwischen Sprechtheater und Tanz“.

Noch ohne festen Standort unterrichtet Martin Pantomime, Stepptanz und Clownerie. Schauspielern gebe das die Möglichkeit, allein aufzutreten, Balletttänzern helfe es bei ihrem Gesichtsausdruck, selbst Politiker würden profitieren. Um ein wenig Aufmerksamkeit auf die hier wenig gepflegte Kunst zu lenken, nimmt sie sich am heutigen Rosenmontag die Mariahilfer Straße – bekanntlich Begegnungszone – als Bühne. Zwischen Stiftskirche und Café Westend will sie als Pantomimin auf 1111 Metern kleine Etüden aneinanderreihen und dabei auch mit dem Publikum interagieren – ein Rekordversuch. Ihr weißes Kostüm mit dem Rüschenkragen hat ihr eine Schneiderin aus dem Waldviertel genäht. Ehemann Paul ist auch dabei, allerdings ohne Gitarre. „Ich werde“, sagt er, „ihren Mantel halten – und den Tee.“

ZUR PERSON

Nina Martin (geborene Hlava) war schon als Fünfjährige Teil einer Amateurschauspielgruppe im Waldviertel. Sie studierte in Prag, Paris und der Schweiz, lernte u. a. bei Pantomimelegende Marcel Marceau und hat ein (seltenes) Doktorat in nonverbalem und komödiantischem Theater. Ab 2011 lebte sie in den USA, seit einigen Monaten ist sie zurück in Österreich. Gemeinsam mit ihrem Mann, Paul Martin, hat sie die Schule Martin Music and Mime gegründet. Heute, Montag, spielt sie ab 11.11 Uhr in der Mariahilfer Straße (ab der Stiftskirche).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2018)

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