Ein Gesicht zur Flucht

Mohammed und Rabia mit Museumsdirektorin Elisabeth Menasse (Mitte) vor dem Garten der Menschenrechte: Wegen deren Verletzung flüchten viele Kinder – und diese Rechte gehören gepflegt wie Blumen.
Mohammed und Rabia mit Museumsdirektorin Elisabeth Menasse (Mitte) vor dem Garten der Menschenrechte: Wegen deren Verletzung flüchten viele Kinder – und diese Rechte gehören gepflegt wie Blumen.(c) Clemens Fabry
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Im Zoom Kindermuseum helfen junge Flüchtlinge bei einer Ausstellung über Flucht mit. Es geht ums Lernen - und manchmal auch um Dosenfisch.

Es ist nicht immer leicht für Rabia (20), wieder und wieder mit dem Thema Flucht konfrontiert zu sein. „Wenn man darüber redet, dann erinnert man sich wieder daran, warum man weggegangen ist, wie der Weg war“, erzählt sie. „Das ist manchmal schon schwierig.“ Trotzdem tut sie es inzwischen recht häufig: Die Afghanin hilft freiwillig im Zoom Kindermuseum mit, Kindern und Jugendlichen das Thema näherzubringen.

Rund 25.000 Sechs- bis Zwölfjährige haben die Ausstellung „Du und ich, dort und da“ bereits besucht, die seit September läuft – und jetzt in die Verlängerung geht. Das Ziel: ein Thema, das mit der Flüchtlingskrise in vielen Schulklassen aktuell geworden ist, auf interaktive Art aufzubereiten. Und so, dass es auch für Sechsjährige greifbar wird, was Flucht bedeutet.

Konkret wird das anhand von sechs Lebensgeschichten von Flüchtlingskindern, die auf realen Personen aufgebaut sind und die jeweils für einen Fluchtgrund und gewissermaßen für ein (verletztes) Menschenrecht stehen. Da ist etwa die Afghanin Nesrin, die zwangsverheiratet werden sollte, das syrische Mädchen Zahra, das sich nach der Flucht nun wünscht, ihren Beruf selbst wählen zu dürfen oder Arif aus Damaskus, der dort nicht mehr in die Schule gehen konnte.

Arif ist auch die Figur, mit der sich Rabia am meisten identifiziert: Sie ist zwar Afghanin, ist allerdings im Iran geboren und aufgewachsen. Und hatte dort irgendwann keine Chance mehr, zur Schule zu gehen. „Ich konnte nicht mehr lernen, ich hatte keine Aussicht auf einen guten Beruf“, sagt sie. „Das Leben für Afghanen im Iran ist schwer.“ Seit rund zwei Jahren ist sie in Österreich, hat den Hauptschulabschluss gemacht und hofft, im Gymnasium genommen zu werden.

Viele Gespräche mit Flüchtlingen

Dass Flüchtlinge freiwillige Hilfsdienste leisten, sei für die Ausstellung wertvoll, sagt Elisabeth Menasse. Sie leitet das Zoom Kindermuseum und hat die Ausstellung kuratiert. Geflüchtete waren von Anfang an eingebunden, unter anderem mit vielen Gesprächen. Der Auslöser für die Ausstellung: „Ich habe mit vielen Lehrern gesprochen, die Flüchtlingskinder in ihren Klassen haben“, sagt Menasse. „Viele haben erzählt, dass die Kinder für ihre neuen Mitschüler am Anfang irrsinnig offen sind. Und irgendwann verlieren sie das Interesse, weil sei mit ihnen lange Zeit nicht wirklich reden können.“

Die Ausstellung „Du und ich, dort und da“ soll denn auch dazu beitragen, die Schicksale dieser Kinder besser zu verstehen, vielleicht auch Anknüpfungspunkte zu bieten. Dafür gibt es auch Mitmachstationen: Über die Geschichte von Arif, dem Buben, der in Syrien nicht zur Schule gehen konnte, können die Schüler arabische Wörter lernen. Bei einer anderen Figur verkleiden sie sich, bei der Geschichte von Azmi backen sie Kekse. Der Bub, der mit seinem kleinen Bruder aus Syrien geflüchtet ist, will nie wieder – wie einst auf der Flucht – Hunger haben.

Manche Kinder sind schüchtern

Das ist die Figur, mit der Mohammed (28) am meisten anfangen kann. „Auf meinem Weg hierher habe ich wochenlang nur Thunfisch in Dosen gegessen“, sagt er. „Dabei mag ich keinen Fisch.“ Mohammed wartet wie Rabia auf den Ausgang seines Asylverfahrens. Er gehört einer Minderheit im Iran an, wo er drei Jahre lang Architektur studiert hat. Vor zwei Jahren ist er allein nach Österreich gekommen. Er ist eigentlich eine große Familie gewöhnt – mit ein Grund, warum er gern in der Ausstellung mithilft.

„Ich mag Kinder, ich habe mit ihnen viel Spaß“, sagt Mohammed. Was ihm aufgefallen ist: dass gerade die Flüchtlingskinder, die mit ihren Klassen ins Museum kommen, oft schüchterner sind als die anderen. Vielleicht, weil sie vieles selbst erlebt haben. Aber, meint Menasse: „Vielleicht sind freiwillige Helfer wie Rabia und Mohammed gerade für diese Kinder auch ein Anker.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2018)

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