Polaroids aus der Schnabel-Welt

Im Ostlicht: Maler Julian Schnabel (r.) schenkte Galerist Peter Coeln einen Pyjama.
Im Ostlicht: Maler Julian Schnabel (r.) schenkte Galerist Peter Coeln einen Pyjama.(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Fotografie. Maler und Regisseur Julian Schnabel zeigt in der Galerie Ostlicht Fotos von Künstlerfreunden, Selbstporträts und Bilder aus seinen Studios.

Zuerst erscheint nur der Kopf. Julian Schnabel steckt ihn durch die Tür, schaut nach rechts und links, verschwindet wieder.

„Kommt er eh?“, hatte einer der Kollegen im Vorfeld gefragt. Ganz abwegig ist die Frage nicht. Schnabel, Superstar der globalen Kunstszene mit oft zitiertem „überlebensgroßem Ego“, hat den Ruf, manchmal schwierig sein zu können. Doch wenig später schiebt sich tatsächlich seine ganze, massive Gestalt durch die Tür ins Ostlicht: Helles Sakko, eine Art weiße Jogginghose, das heraushängende, weit offene Hemd wird sich als ärmellos erweisen, die Bänder seiner Sneaker sind lose. Ähnlich locker gibt sich der Maler selbst. „Hello everybody!“

Er habe sich nie als Fotografen betrachtet, wird Schnabel später erklären. Tatsächlich besitze er nicht einmal eine Kamera. „Die Leute glauben, dass sie beim Fotografieren etwas festhalten, aber in Wahrheit verpassen sie alles.“ Er macht sich einen Spaß aus dem Selfie-Hype. Vor dem Louvre habe er zwei Selfiestick-Trägern angeboten, das Bild für sie zu machen – und sich samt ihnen abgelichtet.

Dass er trotzdem zu fotografieren begann, hat mit seiner Liebe zu einer 20x24-Inch-Polaroid aus den Siebzigerjahren zu tun. Weltweit gibt es nur sechs Stück davon, Schnabel war bei einer Charity-Aktion angeboten worden, damit zu arbeiten. Er tat es – und machte weiter. Dazu muss man wissen: Das antiquiert anmutende Ding ist riesig – und nur für Studioaufnahmen gedacht. Schnabel mietete die Kamera über Jahre hinweg samt ihrem tschechischen Besitzer und „Operator“ Jan Hnizdo, verfrachtete das sperrige Gerät in unterschiedlichste Räume, ins Freie, an den Strand. „Mit ihr ist alles eins zu eins“, sagt er über die Kamera. „Sie ist sehr körperlich.“

Montauk und Palazzo Chupi

Seinen Zugang beschreibt er angelehnt an William Carlos Williams. Die Wahrheit liege in den Dingen, „und indem man die Dinge fotografiert, nimmt man sie wahr“. Dass er die Bilder gemacht habe, „war eigentlich nur ein Werkzeug für mich selbst, um auf diese verschiedenen Orte zu schauen, die ich geschaffen habe, auf die Bilder, die ich gemalt habe oder die Skulpturen, an denen ich gearbeitet habe“.

Für den Betrachter ergäben sich daraus verschiedene Einstiege. „Jemand, der sich dafür interessiert, wie ich wohne, denkt sich vielleicht: Oh, so schaut es in seinem Haus aus.“ Fotos aus seinem Freiluft-Studio in Montauk auf Long Island gibt es ebenso wie aus dem Palazzo Chupi, jenem pinkfarbenen Venedigabklatsch, den er im New Yorker West Village auf eine ehemalige Parfümfabrik bauen ließ.

Andere könnten sich eher für seine Künstlerfreunde interessieren. Schauspieler Christopher Walken etwa sollte fürs „Interview Magazine“ fotografiert werden, zierte sich aber. „Also hat er mich gefragt, ob ich es machen würde.“ Mickey Rourke ist zu sehen, Willem Dafoe, der in Schnabels jüngstem Filmprojekt Van Gogh spielt; aber auch Max von Sydow, die Künstler Takashi Murakami und Marina Abramović, die Beastie Boys oder Lou Reed mit seinem Tai-Chi-Schwert. Dazu Selbstporträts, zwei von Schnabels sechs Kindern, Milton, der Bullterrier. Und „Crazy People“: Fotos von Fotografien von Insassen einer Nervenklinik.

Er habe, erklärt Schnabel hinter seiner diesmal blauen Sonnenbrille, die meisten Bilder ohne Ziel gemacht, definitiv nicht für eine Ausstellung. „Die Kamera war für mich ein Impuls, manche Dinge auf eine bestimmte Art zu sehen.“ Manches müsse man malen, anderes nicht. „Letztlich versuchen wir immer zu verstehen, was Zeit ist, was Tod ist, warum wir hier sind.“ Wir seien doch alle „a terminal case of life“ – ein tödlicher Fall von Leben. Künstlerisch einschätzen könne er seine Fotos nicht. „Ich weiß genau, wo meine Bilder in der Kunstgeschichte einzuordnen sind, aber nicht, wo meine Fotografien innerhalb der Geschichte der Fotografie stehen.“

Aus geplanten Fotos in den Straßen Wiens wurde indes nichts, zu ausgelaugt sei er nach der Arbeit am Van-Gogh-Film. „Ich hatte keine Energie.“ Immerhin: Seinen Gastgeber, Peter Coeln, und dessen künftige Frau inszenierte er am Montag in deren Garten – ein verfrühtes Hochzeitsgeschenk. Als Souvenir gab es für Coeln noch einen Pyjama: Ist Schnabel doch überzeugter Schlafanzugträger.

ZUR PERSON

Julian Schnabel wurde 1951 in New York geboren und wuchs z. T. in Texas auf. 1981 gelang ihm mit seiner ersten Ausstellung der Durchbruch, er gilt als einer der Hauptvertreter des Neoexpressionismus. Als Filmregisseur drehte er u. a. „Basquiat“, mit „Schmetterling und Taucherglocke“ gewann er einen Golden Globe. Die Galerie Ostlicht in der Ankerbrotfabrik zeigt ab heute „Julian Schnabel: Polaroids“. Die meisten der Bilder sind auch zu kaufen, zum „schnabelmäßig sehr vernünftigen Preis“ (Peter Coeln) von je 19.800 Euro. www.ostlicht.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2018)

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