Mit dem Klavier auf Reisen

„Home is where you park it“, sagt Joe Löhrmann. Seit sechs Jahren reist er mit seinem Klavier und seinem Bus.
„Home is where you park it“, sagt Joe Löhrmann. Seit sechs Jahren reist er mit seinem Klavier und seinem Bus.(c) Mirjam Reither
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Joe Löhrmann spielt Klavier – in der Fußgängerzone, im Wald, am Strand. Morgen gastiert er mit seinem bereiften Traveling Piano in Wien.

Joe Löhrmanns Zuhause steht an diesem Vormittag in der Dingelstadtgasse unweit des Westbahn- hofs. Ein weißer Ford Transit, außen unauffällig. Ein junger Passant bleibt trotzdem stehen, späht durch die Tür hinein, fragt, ob er ein Foto machen darf. Vom Bus mit seinem nicht ganz gewöhnlichen Inneren: einem Bett – und einem Klavier.

Seit sechs Jahren ist Joe Löhrmann aus Hannover mit seinem Bus und seinem Piano auf Reisen und spielt unter freiem Himmel, wo immer es ihm gefällt. In Städten, auf Plätzen. Oder mitten in einem Feld, am Wald, bei Sonnenuntergang am Strand. Und immer zieht er damit Leute an, in denen seine ruhige Klaviermusik offenbar etwas anspricht.

„Als ich vier war, hat meine Mutter ein Klavier gekauft“, erzählt er von den Anfängen seiner Geschichte. „Ab da war ich fasziniert von den Tasten.“ Er spielte in der Schulband und auf Feiern, begleitete Kabarett und einen Gospelchor, aber eigentlich sollte die Musik nur ein Hobby bleiben. Beruflich machte er zunächst eine kaufmännische Ausbildung bei BMW, studierte danach Tourismusmanagement. Freilich mit wenig Freude. „Ich habe mich wie im Gefängnis gefühlt, ohne Freiheit, mein Leben selbst zu gestalten.“

Als er im Anschluss daran auf Weltreise ging, lernte er ebenjene Freiheit kennen. Aber wie sollte er seine beiden Leidenschaften, das Reisen und die Musik, kombinieren? „Ein Klavier kann man nicht mitnehmen. Dieser Glaubenssatz hat sich bei mir lang gehalten.“ Eines Tages stellte er ihn doch infrage. Und begann, mit seinem Vater sein Piano mobil zu machen. Was braucht es für Räder, damit es nicht umkippt, sich lenken lässt? Inzwischen hat sein hunderte Kilo schweres Instrument nicht nur Reifen mit solidem Profil, sondern – nachdem er vom Schieben Gelenksprobleme bekommen hat – einen eingebauten Motor. Vor vier Jahren hat er schließlich seine Wohnung aufgegeben. Seit er seinen Bus hat, sei er eh nie dort gewesen.

Suche nach dem besonderen Ort

Dafür schaut er sehnsüchtig einem Peugeot Boxer nach, der während des Gesprächs am Gastgarten vorbeifährt. Ein größerer Bus, eine kleine Küche, vielleicht ein Bad, das, sagt er, ist das nächste Projekt. Sonst fehle es ihm an nichts. „Ich lebe gern minimalistisch.“ Lang war der 35-Jährige nur spontan unterwegs, spielte, wo immer es ihn hinzog. Inzwischen ist er dabei, sich zunehmend auf Konzerte mit fixen Terminen einzulassen – wie jenes morgen im Garten des Volkskundemuseums. Seine Follower auf Facebook würden fragen, wann sie ihn spielen hören könnten, er selbst sei sensibler geworden und nicht mehr ganz so überzeugt von der Straßenmusik mit ihren Nebengeräuschen. Lieber möchte er seine Musik an Orten darbieten, „wo man sich richtig fallenlassen kann“; Orte, die das widerspiegeln würden, was ihm Hörer immer wieder bescheinigen würden: „Dass meine Musik in die Tiefe geht.“

„Naturkonzerte“ nennt er das, was er in Zukunft machen möchte; wo man auf Heuballen sitzt „und Musik und Natur zu einem Moment verschmelzen“. Für das nächste Jahr ist eine Tour für Deutschland, die Schweiz und Österreich geplant, derzeit sucht er dafür nach besonderen, gern spektakulären Orten. Für die Organisation hat er sich inzwischen auch ein Management zugelegt. „Ich möchte den Kopf freihaben von der Bürokratie, ich möchte mich auf die Musik konzentrieren, auf das Reisen, auf die Menschen und ihre Geschichten.“

In den Konzerten erzählt er dann auch von seinen Erlebnissen. Wie er in Avignon mit einem platten Reifen am Klavier auf einem Hügel hängen blieb. Wie er in Thailand eine einsame Insel fand, um dort sein Album aufzunehmen. Oder wie in Japan ein Video, in dem er mit einem Japaner musiziert, viral ging.

ZUR PERSON

Joe Löhrmann (geb. 1983) wuchs in Hannover auf und studierte Tourismusmanagement. Seit 2012 ist er mit einem Bus und seinem fahrbaren Klavier unterwegs und spielt eigene Kompositionen. Letzten Samstag etwa im Garten und auf Wunsch des deutschen Bundeskanzleramts bei dessen Tag der offenen Tür, morgen, Samstag, gibt er im Garten des Wiener Volkskundemuseums ein „Naturkonzert“. Tickets unter bit.ly/konzert-in-wien, ev. Abendkasse.

Web:www.mytravelingpiano.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2018)

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