„Haben gleich in der WG geprobt“: Das letzte Aufbäumen der EAV

Verabschiedet sich mit einem Album und einer Tournee: Thomas Spitzer.
Verabschiedet sich mit einem Album und einer Tournee: Thomas Spitzer. (c) Die Presse (ClemensFabry)
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Thomas Spitzer, Gründer der Ersten Allgemeinen Verunsicherung, kündigt das Ende der Band an. Mit „Alles ist erlaubt“ erscheint ein letztes Album.

Braun gebrannt, schlank, den Schalk in den Augen und mit einer Freundin an seiner Seite, deren Jugend Erinnerungen an die ungewöhnliche Liebe zwischen Simone Rethel und Jopie Heesters wachruft. Wohl auch deshalb sieht Thomas Spitzer, Gründer der legendären EAV, trotz fortgeschrittener Jugend sehr gut aus. Eigentlich besser als 1978, als er in einem düsteren Altbau am Bauernmarkt in einer Wohngemeinschaft gehaust hat. Es war jenes Haus, das bald einem Neubau der Ersten Allgemeinen Versicherung weichen musste.

Vor dem Abbruch wurde noch viel jubiliert. Die Jazz-Gitti hatte ihr zweites Lokal darin, und neben der EAV-WG beherbergte das Haus auch die WG von Mathias Rüegg, dem Mann, der bald das Vienna Art Orchester gründen sollte. „Das Haus wurde abgesiedelt“, erzählt Spitzer, „wir haben also gleich in der WG geprobt.“

Abends hielt sich Spitzer, wie auch Walter Hammerl, der erste MC der EAV, gern im Jazzlokal der Gitti auf. Dass sich Hammerl, der die unbekannte Anarchoband damals medial gut lancierte, einige Jahre später das Leben nehmen sollte, war nicht voraussehbar. Klaus Eberhartinger folgte ihm als Bandmitglied nach.

Der große Erfolg ließ auf sich warten. Im Rückblick erscheinen Spitzer die Hungerjahre überraschend attraktiv. „Jedes der Urmitglieder war Schweißer, Musiker, Kostümbastler – wir haben alles selbst gemacht. Das war schon die schönste Zeit. Sollte ich jemals ein Buch schreiben, hört es mit dem ersten Hit auf. Die sieben mageren Jahre waren das Spannendste.“

Einzelzimmer auf Tourneen

Dann war die Schatulle voll. Statt Matratzenlager gab es Einzelzimmer auf Tourneen, viele Fernsehshows und Videodrehs. Die Vorbilder der Anfangsjahre waren wilde Gestalten wie Frank Zappa und Zeichner Robert Crumb, irgendwann tourte man mit Heino und G. G. Anderson. „Heino ist ein cooler Typ, aber irgendwie hat es doch nicht gestimmt, dass wir in der sterilen Ecke des Showbiz gelandet sind. Aber wir waren selbst schuld, haben alles angenommen, was sich angeboten hat.“

Jetzt will die EAV ihre Karriere mit einem kräftigen Rufzeichen beenden. Das neue Album heißt „Alles ist erlaubt“, was für Spitzer das Motto der heutigen Menschheit zu sein scheint. „Mittlerweile kann jeder Politiker lügen, alles ist erlaubt.“ Was hat sich seit der großen Zeit der Linken in Europa, also seit Kreisky, Palme und Brandt, verändert? „Damals gab es zwischen links und rechts noch einen inhaltlichen Unterschied, und die Gesprächskultur war wesentlich gepflegter.“ Nachsatz: „Aber wäre die Welt heil, hätte die EAV keinen Job.“

Radikale Politanalysen

Neben radikalen Politanalysen charmieren auch schönen Analogien zu Miguel Cervantes' „Don Quichotte“ in Spitzers Lieblingslied „Gegen den Wind“. Und der Spaß kommt auch nicht zu kurz. Der den modischen Veganismus auf die Schippe nehmende „Salatistenmambo“ sei zu allererst genannt. Für das farbigste EAV-Werk seit Dezennien hat Spitzer auch frühere Bandmitglieder wie Nino Holm und Eik Breit reaktiviert. Spitzer, der politisch eher links steht, hat zeitlebens in zwei Richtungen ausgeteilt. Schon auf „Café Passé“, dem zweiten Album der EAV, hat er gegen die Woodstock-Veteranen und die schläfrige, hiesige Linke agitiert.

Spitzer hat sich zuletzt gefreut, dass Schlagerstar Roland Kaiser kritische Worte zur Pegida gefunden hat. Udo Jürgens, für den er auch getextet hat, hatte sowieso immer Haltung. „Ich saß mal mit ihm in einem Zürcher Restaurant. Am Nebentisch machte jemand einen Judenwitz. Ich hab so getan, als hätte ich ihn überhört. Aber der Udo ist aufgestanden und hat ihn zur Sau gemacht. Wenn Leute wie er oder Roland Kaiser etwas Politisches sagen, dann hat es mehr Gewicht, als wenn Methusalems der linken Szene wieder einmal sagen, dass die Welt schlecht ist.“ Neben dem letzten Aufbäumen mit der EAV steht demnächst eine Ausstellung des Zeichners Spitzer im Karikaturmuseum Krems an. Dessen Direktor hat einen Narren an ihm gefressen. Trotz allen Erfolgs im deutschen Sprachraum, die Mama war nicht nur stolz auf ihn. „Ihr wäre es am liebsten gewesen, wenn ich Zeichenlehrer geworden wäre.“

Zur Person

Thomas Spitzer, Gründer der EAV, begann als Gitarrist der Schülerband Mephisto.
Das Gitarre-Üben war nicht seine Stärke. Zunächst wollte er Cartoonist werden. Der Erfolg der EAV verhinderte dies. Das neue und letzte EAV-Album, „Alles ist erlaubt“, erscheint am 28. September. Im Februar 2019 beginnt die große Abschiedstournee.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2018)

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