Salcher fürs Nachtkastl

Andreas Salcher in seinem Büro am Fleischmarkt. In seinem neuen Buch zerlegt er das Leben in 24 Stunden – und regt dazu an, rechtzeitig Weichen zu stellen.
Andreas Salcher in seinem Büro am Fleischmarkt. In seinem neuen Buch zerlegt er das Leben in 24 Stunden – und regt dazu an, rechtzeitig Weichen zu stellen.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Man kennt ihn für seine Bildungskritik, kauft ihn aber für seine Innenschau-Literatur: Autor Andreas Salcher über sein neuestes Buch – und Beulen.

Wenn das ganze Leben nur einen Tag dauern würde – dann hätte Andreas Salcher mit seinen 57 Jahren selbst die 15. Stunde erreicht. Jene, „in der sich das Gerücht bestätigt, dass das Leben mit seiner Fortdauer immer schneller verrinnt“, und die einen zwinge, die „Was bleibt?“-Frage zu stellen.

Was das in seinem Fall wäre? Eines Tages ein besseres Bildungssystem, zu dem er ein wenig beigetragen hätte? Stimmt, sagt Andreas Salcher, das empfinde er als seine Berufung: seine Stimme zu nutzen, um „aus dem jetzigen System einen Ziegel herauszubrechen, in der Hoffnung, dass es irgendwann zusammenbricht und etwas Besseres entstehen kann“.

Das zweite, was von ihm bleiben werde, seien natürlich seine Bücher. „Jedes Buch landet ja in der Nationalbibliothek, und ich stelle mir das so vor, dass irgendwann ein Student unter S ein ganz anderes Thema sucht, und dann fällt ihm mein Buch auf den Kopf. Dem bleibt eine Beule – und vielleicht schaut er sich auch das Buch an.“ Welches auch immer es dann sein mag – es stünden bereits einige zur Auswahl. Etwa „Der talentierte Schüler und seine Feinde“ – jenes Werk, mit dem Salcher vor zehn Jahren anlässlich des Zehn-Jahr-Jubiläums der von ihm mitbegründeten Sir-Karl-Popper-Schule seine Tätigkeit als Bestsellerautor begann. Wobei: Genanntes Buch ist bis heute mit Abstand sein bekanntestes – viel erfolgreicher seien aber andere. „Meine letzte Stunde“ und „Der verletzte Mensch“. Bücher, die, wie Andreas Salcher sagt, „nach innen gehen“. So wie auch sein neuestes. „Das ganze Leben in einem Tag“ heißt es und umreißt wichtige Entwicklungsschritte von der Geburt bis zum Ende.

Ein großes Vorhaben, gedacht als Sachbuchpendant zu Romanen über ganze Leben, Frischs „Homo Faber“ oder Franzens „Korrekturen“, für Salcher ein Lieblingsbuch. Nicht als eines der vielen Selbsthilfe- oder Erfolgsbücher (deren wichtige er natürlich alle gelesen hat) will Salcher sein neues Werk verstanden wissen. „Sieben Regeln für ein geglücktes Leben“ – so etwas lasse sich nie auf alle anwenden. Eher sieht er es als „Nachdenkbuch“, als ein „Nachtkastlbuch“, das man absichtlich häppchenweise konsumieren kann, „wissend, dass die Menschen wenig Zeit haben“. Aber eben offenbar auch „eine riesige Sehnsucht nach Tiefe und innerer Auseinandersetzung“.

„Sprünge waren nicht freiwillig“

Dafür zitiert er Aristoteles und Rumi ebenso wie die moderne Wissenschaft. Und immer wieder Viktor Frankl mit seinem Diktum, entscheidend sei nicht, was einem zustoße, sondern wie man es interpretiere. Auf seine eigene Lebensphase umgelegt, hieße das: „Ja, ich kann trauern, dass die Zeit schneller vergeht. Aber ich kann auch zurückschauen: Wie bin ich zu dem Menschen geworden, der ich bin?“

Rückblickend, sagt Salcher, „nicht durch die Phasen des Wachstums, in denen alles funktioniert“. Lebensläufe wie seiner – Landesschulsprecher, ÖVP-Politiker, Organisator der Melker Waldzell-Meetings mit Craig Venter und dem Dalai Lama – sähen auf dem Papier relativ beeindruckend aus. „Die Wahrheit ist aber, die großen Sprünge sind in meinem Leben nicht passiert, weil ich sie freiwillig gemacht habe, sondern weil das Leben, der Weltgeist, wie Hermann Hesse so schön sagt, dich auf die nächste Stufe hebt.“ Umso größer sein Respekt etwa für Neos-Gründer Matthias Strolz, der seine Politzeit aus sich heraus beendet hat. Er selbst war damals schlicht nicht wieder aufgestellt worden.

Auf einen Blick

Andreas Salcher wurde 1960 in Wien geboren, studierte BWL mit sozialpsychologischer Orientierung und hielt mit 18 Jahren die ersten Rhetorikseminare. Zwölf Jahre saß er im Wiener Gemeinderat, 1998 gründete er mit Bernhard Görg die Sir-Karl-Popper-Schule. Er ist Unternehmensberater, Sachbuchautor und Kritiker des aktuellen Bildungssystems.

„Das ganze Leben in einem Tag“. Ecowin,
376 Seiten, 24 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2018)

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