Ray Cokes: "In unserem Geschäft muss man sich prostituieren"

Ex-MTV-Moderator Ray Cokes coacht heute die
Ex-MTV-Moderator Ray Cokes coacht heute die "Helden von Morgen" im ORF, Freitag ab 20:15 Uhr(c) ORF.at
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Ex-MTV-Legende Ray Cokes coacht die "Helden von Morgen". Der "Presse" erzählt er von seinem Abgang von MTV, seinem inneren Hooligan und warum auch er ein Coaching brauchen kann.

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Seite 1: Ray Cokes über Berlin und seine neue Show
Seite 2: Ray Cokes über Kreativität und seine Abneigung gegen Castings

Von Samstag bis Dienstag hat Ray Cokes sechs Teilnehmer der "Helden von morgen" gecoacht, jetzt wartet er nur noch auf die Sendung. Heimfliegen, erzählt er, zahlt sich nicht aus, dafür nimmt er sich Zeit fürs Interview in der Bar des Wiener Hotels "The Ring."

Die Presse: Wo sind Sie denn eigentlich zu Hause?

Ray Cokes: Die letzten zwei Jahre habe ich in Berlin gelebt. Ich liebe Berlin, es ist unglaublich hip, aber andererseits bin ich nicht mehr 25, und Berlin ist nicht besonders kultiviert. Ich spreche kein Deutsch, wenn ich etwas brauchte, musste ich einen Freund anrufen und meinem Gegenüber das Handy hinhalten. Dann hat mich auch noch meine Freundin verlassen, also hatte ich keinen Grund zu bleiben. Dann haben wir in Belgien eine Dokumentation gedreht. Es war ein Sonntagvormittag, da waren Terrassen, Mädchen, die Zeitung gelesen haben, alle sprechen Englisch, viele haben früher MTV geschaut - ich habe mich sofort zu Hause gefühlt. Also die Antwort ist: Jetzt ist es Belgien. Mein geistiges Zuhause ist Frankreich. Aber ich ziehe immer weiter, ich würde gerne aufhören, aber ich habe noch keinen Ort gefunden, wo ich wirklich glücklich bin.

Seit wann leben Sie in Antwerpen?

Cokes: Seit September. Ich habe mein ganzes Leben geändert. Zehn Jahre war ich verheiratet, dann bin ich nach Paris gezogen, in ein Fünf-Zimmer-Junggesellen-Apartment, mit einer großen Musikanlage und einer Terrasse für Cocktailpartys. In Berlin hätte ich mir dann eine billige Wohnung suchen können, aber ich habe wieder etwas Großes gemietet, ziemlich teuer. Jetzt in Antwerpen wollte ich wirklich etwas Kleines, Gemütliches, und das Geld sparen, um irgendwann ein Haus in Frankreich kaufen. Aber ich habe zu viele Möbel und Bücher und CDs, die sind jetzt alle in einer Garage.

Wie ist das neue Leben?

Cokes: Ganz ok. Nur in den ersten beiden Nächten haben nebenan Studenten gefeiert, getrunken, Gras geraucht und ziemlich Lärm gemacht. Und ich konnte nicht einfach rausgehen und sie um Ruhe bitten. Erstens würden sie denken, ich bin ein alter Kerl, und dann würde mich die Hälfte erkennen und das Ganze wäre noch peinlicher. Außerdem habe ich in ihrem Alter das gleiche gemacht. Wahrscheinlich viel schlimmer. Aber ich gehe jetzt auch wieder öfter aus, nehme Einladungen an - obwohl ich eigentlich ein Home Boy bin. Ich bin gern mit meiner Freundin zu Hause und koche. Ich bin ein Romantiker, verliebe mich richtig. Dann geht die Liebe schief, man versucht, daraus zu lernen, versucht es wieder. Aber es wird nicht leichter, wenn man älter wird. Das Herz wird immer noch in eine Million Stücke zerrissen.

So wie zuletzt in Berlin?

Cokes: Ja. Ich habe mich in Paris in eine Engländerin verliebt, sie ist am ersten Tag eingezogen. Ich hatte eine erfolgreiche Fernsehshow, in einer Stunde ist man in Südfrankreich. Ich war dort mittelmäßig berühmt, aber die Franzosen lieben alle Prominenten. Es war sehr angenehm, aber dann hat mir meine Freundin vorgeworfen, ich würde bourgeois, dabei sei ich doch ein Punk-Rebell. Das bin ich in meiner Seele immer noch, aber in Frankreich ist es schön, bourgeois zu sein, man isst und lebt so gut. Aber sie meinte, das sei nicht ich, das sei zu langweilig für mich, nicht kantig genug. Also sind wir nach Berlin.

Und sind Sie dort wieder kantiger geworden?

Cokes: Ein bisschen, in Berlin kann man nicht bourgeois sein. Einmal wurde ich ins teuerste Restaurant eingeladen. Ich habe einen Anzug angezogen - und alle anderen trugen Jeans. Ich bin mir dumm vorgekommen. Berlin ist attraktiv, weil es billig ist, weil es eine Underground-Bewegung gibt, aber in Wahrheit sind viele einfach nur faul. Die Cafés sind voll mit jungen Leuten mit Laptops, die an einem Projekt arbeiten, das vermutlich Facebook heißt. Ich wollte wieder mehr, als nur zu leben und zu lieben und nur ein bisschen zu arbeiten.

Daher die neue Show in Belgien?

Cokes: Ja, die ist eine Herausforderung, weil es um andere Leute geht - und ich nicht in die Kamera schauen darf. Es ist eine Doku-Serie über Bier. Ich mag Bier nicht einmal, aber die Belgier nehmen es ernst. Das war zu Jahresbeginn, und ich habe mich ernsthaft gefragt, was tue ich eigentlich? Ich hatte diesen Riesen-Erfolg mit MTV, den man nicht wiederholen kann. Das ist ein großer Rucksack. Ich hatte meine 15 Minuten Ruhm, auch wenn das gar nie das Ziel war. Wir hatten Spaß und haben neue Sachen erfunden. Aber im Jänner habe ich wirklich angefangen, nachzudenken. Ich habe nie die richtigen Entscheidungen getroffen. Die richtigen für mein Herz und meine Seele, aber die falschen für die Karriere. Ich habe zu vielen Angeboten nein gesagt, das mögen die Mächtigen nicht. Ich mache Moderationen für Firmen, man verdient so viel wie mit drei Monaten Fernsehen. Aber dazwischen geht man verloren. Also bin ich auf Reisen gegangen, habe Freunde besucht und darüber geschrieben. Dabei habe ich herausgefunden, dass ich das, was ich tue, weitermachen möchte. Ich habe kein Vermögen, kein Haus, aber ich verdiene genug, um nein zu sagen zu den Dingen, für die ich meine Seele verkaufen müsste. In unserem Geschäft muss man sich prostituieren, die Frage ist nur, wie weit man geht. Ich will mich nicht ganz verkaufen, das bin ich auch meinem Publikum schuldig, das mit mir aufgewachsen ist.

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