Walk of Häme

Ein Muggle vor Gericht

Oder: Warum Castro jetzt Díaz-Canel heißt und sich ein Magier entzaubert hat.

Der April hat ja per Definition alle Jahreszeiten im Repertoire und nicht einmal, dass er immer nur macht, was ihn gefreut, nimmt man ihm wirklich übel. Vor zwei Wochen hat er noch recht streng auf Winter getan, nun wird es aber gleich richtig julisommerlich, sehr zur Freude von fast allen. Bis auf die Starter beim Wien-Marathon freilich. Denn bei 42 Kilometern Weg und je nach Fitnesszustand zwei, drei, vier, fünf Stunden Laufzeit, macht es schon einen Unterschied, ob es gute zehn oder knappe dreißig Grad hat.

Dreißig Grad misst man auch in Havanna, aber nicht nur ausnahmsweise, sondern ganz regulär. Dass mit dem Rücktritt von Fidels Bruder Raul Castro nun nach sechs Jahrzehnten die Castro-Ära tatsächlich endet, ist für die meisten von uns, die kein anderes Kuba kennen, gewöhnungsbedürftig. Der 57-jährige Nachfolger, Miguel Díaz-Canel, kann mit seinem klangvollen Namen überzeugen, ob man sich diesen auch merken wird müssen, bleibt abzuwarten. Das Ergebnis, mit dem er die nächsten fünf Jahre zum Präsidenten Kubas gewählt wurde, lässt allerdings nichts Gutes erwarten: 603 von 604 Stimmen in der Nationalversammlung klingt nicht gerade nach lebendigem Parlamentarismus.

Sonst schauen alle in die Gerichtssäle. Wobei David Copperfield, ehemaliger Ehemann von Claudia Schiffer und der führende Magier aus den 1990ern, der nach der Jahrtausendwende spektakulär von dem echten Zauberer Harry Potter abgelöst wurde, vor dem Richter ganz ohne Bühnenlicht und Umhang auskommen musste. Ein Brite, der bei einer von Copperfields Zaubershows als Mitwirkender aus dem Publikum schwer verletzt wurde, will dafür Schadenersatz. Und um beurteilen zu können, ob der gerechtfertigt ist, musste Copperfield verraten, wie der Trick, bei dem 13 Zuschauer von der Bühne verschwinden und dann wieder im Publikum auftauchen, funktioniert. Nun weiß man auch, warum sich der Magier so gewehrt hat: Der Trick ist eine Riesenenttäuschung. Ein versteckter Gang, der von der Bühne in den Zuschauerraum führt. So unmagisch. Aber was hat man sich auch von einem Muggle anderes erwartet?

Inzwischen zaubert der April unverdrossen weiter. Vielleicht zieht er nach dem Winter und dem Sommer ja doch auch einmal den Frühling aus dem Ärmel.

florian.asamer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2018)

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