Richard Avedon: Der Meister des Schönen

(c) Dovima with elephants, Cirque d’Hiver, August 1955, Photograph by Richard Avedon © The Richard Avedon Foundation
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Dreißig Jahre lang fotografierte Richard Avedon für das Maison Dior. Ein Bildband zeichnet nun diese Epoche erstmals nach.

Eine hochgewachsene Schönheit, ihre Haut alabasterfarben, die dunklen Haare zu einem tiefen Chignon gebunden, posiert in einem schwarzen Abendkleid mit heller Schärpe von Dior zwischen zwei Zirkuselefanten. Mit einer Hand berührt sie behutsam den Rüssel des einen Elefanten, die andere Hand streckt sie grazil in Richtung des Rüsseltiers zu ihrer Linken. In dem Bild „Dovima and the Elephants“ kristallisieren sich die Figuren zu einer Allegorie der Geschlechterverhältnisse in den Fünfzigerjahren. Die Aufnahme greift das Märchen „Die Schöne und das Biest“ auf und schafft einen klaren Kontrast zwischen der zerbrechlichen und eleganten Frau, wie sie sich Christian Dior vorstellte, und dem Elefanten, der den Archetypen des ungezähmten Männlichen repräsentiert. Das Bild wurde 1955 von Richard Avedon geschossen und ist eines der berühmtesten Modebilder des 20. Jahrhunderts, eine Medienikone, die in unser kollektives Bildgedächtnis eingeschrieben ist. Das legendäre Foto gibt es nun neben zahlreichen, zum Teil unveröffentlichten Aufnahmen und Skizzen von Monsieur Dior in dem Bildband „Dior by Avedon“ zu bewundern, der die fast dreißigjährige Zusammenarbeit (1947–1974) des Fotografen mit dem französischen Modehaus zelebriert.

Neue Ära. Avedon fotografierte damals die erste Kollektion, die der junge Yves Saint Laurent für Dior entworfen hatte, und war selbst mit 32 Jahren schon ein etablierter Player im Modebusiness. Als Fotograf bei „Harper’s Bazaar“ war es Avedon in den 1940er- und 1950er-Jahren gelungen, das Genre der Modefotografie zu revolutionieren. Gemeinsam mit Irving Penn, der für die amerikanische Vogue fotografierte, hat Avedon einen dezidiert amerikanischen Stil in die Modefotografie eingeführt, der bis heute imitiert und fortgesetzt wird. Mit seinem Gespür für präzise Kompositionen, seiner Vorliebe für starke Kontraste und seinem Sinn für die grandiose Inszenierung weiblicher Schönheit hat Avedon neue Standards für die Modefotografie gesetzt. Neben seinen kontrastreichen, lebhaften Bildern wirkten die strengen, formellen Fotos von altehrwürdigen Kollegen wie Horst P. Horst, George Hoyningen-Huene, Cecil Beaton oder Deborah Turbeville schlagartig altmodisch.

Mit nur 21 Jahren wurde Avedon bei „Harper’s Bazaar“ eingestellt und 1946 nach Paris geschickt, um dort die neuen Kollektionen der Couturiers abzulichten. Die Bilder, die Avedon unter anderem von Entwürfen aus dem Hause Dior in den Vierzigerjahren in Paris geschossen hat, haben eine dokumentarische Leichtigkeit und verraten darin seinen romantisierenden, bei Brassaï und Cartier-Bresson geschulten Blick auf die Hauptstadt der Mode. Lachende Models in eleganten, eng taillierten Kostümen, Kleidern und Mänteln posieren mit Luftballons, Zigaretten oder Blumensträußen in der Hand vor grauen Häuserwänden und in Straßencafés, manchmal allein, aber oft auch in Gesellschaft von Soldaten, Clochards, Künstlern, Zirkusartisten oder Handwerkern.

Später, als Yves Saint Laurent die Nachfolge des 1957 verstorbenen Christian Dior antrat, verlegte Avedon die Kulisse für seine Bilder wieder zurück ins Studio und rückte prompt auch den jungen, nervösen Couturier vor die Kamera, den er beim Drapieren und Zurechtzupfen von Kleidern beobachtete.
1957 kam auch der Film „Ein süßer Fratz“ (Regie von Stanley Donen) in die Kinos, der zum Teil auf der Lebensgeschichte von Richard Avedon basierte und die Geschichte einer scheuen Buchhändlerin (Audrey Hepburn) erzählt, die von einem Modefotografen (Fred Astaire) zum gefragten Model gemacht wird. Avedon, der als kreativer Berater an der Produktion und Vermarktung des Films beteiligt war, wurde selbst zum Star.

Avedons bleibender Einfluss. Als Saint Laurent in die algerische Armee eingezogen wurde, übernahm 1960 der Franzose Marc Bohan die Leitung der Maison Dior. Avedons Fotos dieser Jahre sind vom Geist der Sechzigerjahre beseelt, getragen von einer Explosion an Vitalität. Während Avedon in dieser Zeit noch mit reduzierten, abstrakten Kulissen arbeitete, verzichtete er später ganz darauf und lichtete die Models bevorzugt vor einer weißen Leinwand ab. In den Siebzigerjahren entwickelte er endgültig seinen unverkennbaren Stil, und die Fotoserien von Jean Shrimpton, Anjelica Huston und Lauren Hutton strahlen bis heute die für Avedon unverkennbare Aura von vollkommenem Glamour aus.

Avedon wechselte 1960 von „Harper’s Bazaar“ zur amerikanischen „Vogue“ und blieb dort bis 1990. Er zählte bis in die Neunzigerjahre zu den gefragtesten Modefotografen, produzierte zahlreiche Werbekampagnen, unter anderem für Versace, und widmete sich neben der Mode wie viele seiner Kollegen auch dem Genre der Porträtfotografie. Sein Stil hat Generationen von Fotografen inspiriert, am deutlichsten sieht man dies in der Arbeit von Steven Meisel oder dem Duo Inez van Lamsweerde und Vinoodh Matadin. Aber obwohl es heute noch Starfotografen wie Tim Walker, Mert Alas & Marcus Piggott, Nick Knight, Mario Testino und Juergen Teller gibt, die auf ihre eigene Art und Weise eine einzigartige visuelle Sprache entwickelt haben, spielen seit den Neunzigern immer mehr die Personen vor der Kamera die Hauptrolle.

In der heutigen Ära der Celebrities zieren vermehrt Popstars, Schauspielerinnen und Stars die Cover von Modemagazinen. Diese Celebrities wollen sich in erster Linie selbst inszenieren und ordnen sich der von Avedon und seinen Zeitgenossen eingespielten, Pygmalion-artigen Rollenverteilung nur mehr bedingt unter. Avedon war davon überzeugt, die Schönheit und Weiblichkeit seiner Sujets erst durch sein Objektiv hervorzubringen. Diese Machtdynamik lässt sich heute kaum noch aufrechterhalten; möglicherweise liegt darin auch der Grund für den großen Erfolg von Mario Testino und Juergen Teller. Ersterer ordnet sich ganz den Publicity-Anforderungen der Stars unter und inszeniert sie als glamouröse Sexgöttinnen. Teller hingegen beansprucht, die Stars so zu zeigen, wie sie sind, wenngleich sie dabei in Kauf nehmen müssen, sich seinem schonungslos ehrlichen Blick nicht entziehen zu dürfen.

Tipp

„Dior by Avedon“. Herausgegeben von Justine Picardie, Rizzoli, 206 Seiten, 168 Euro.

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