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Vergessen und verlassen: Ein Grundstein im Grün

Nächst Justizpalast, Parlament: Entsatzdenkmal-Grundstein.
Nächst Justizpalast, Parlament: Entsatzdenkmal-Grundstein.(c) Wolfgang Freitag
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Stichwort 1683: ein altes Denkmal-Provisorium in Wien – und was derzeit im Wienerwald wächst.

Irgendwie kann er einem richtig leidtun, wie er so daliegt, vergessen und verlassen, und das mitten im wichtigsten Wien, im Grete-Rehor-Park, mit Parlament und Justizpalast gleich nebenan. Kein Wunder, dass er schon ziemlich angewittert ist, es sind ja auch schon 34 Jahre vergangen, seit man ihn hierhergesetzt hat, den „Grundstein für das Entsatz-Denkmal 1683–1983“. Und zwar „provisorisch“, wie hinzugefügt ist, als habe man sich damals selbst Zuversicht zusprechen wollen.

Tatsache ist: Das Denkmal, das da ein Verein namens „Freunde Sobieskis“ zum „Dank 300 Jahre nach dem Entsatz von Wien“ zu errichten gedachte, konkret einen zwei Meter im Kubik großen Würfel, auf dem die Namen „aller am Entsatz beteiligten Völker und Heerführer nebst Jahreszahlen und kurzer geschichtlicher Einführung“ hätten eingemeißelt werden sollen, wurde nie steinerne Wirklichkeit: gescheitert an der Finanzierung. Ein Schicksal, das es mit anderen mehr oder minder monströsen Plänen mehr oder minder monströser Entsatz-Denkmäler teilt, die im Lauf der Nach-Belagerungs-Jahrhunderte in die Wiener Welt gesetzt wurden. Etwa die Idee, einen 40 Meter hohen Obelisken auf dem Kahlenberg zu platzieren. Oder gar eine Art „Wartburg österreichischer Geschichte“ auf dem Leopoldsberg. Nichts davon kam über Absichtserklärungen hinaus.

Im Gegenzug sprießen neuerdings, in diesen national erwachenden Tagen, sauber nach Nation getrennte Entsatz-Gedenkmale aus dem Wienerwaldboden. Auf dem Kahlenberg ist ein polnisches Sobieski-Denkmal fundamentiert, den Leopoldsberg haben drei ukrainische Bronze-Kosaken ereilt. Fehlt nur, dass auch alle anderen am Entsatz von Wien 1683 beteiligten Volkschaften dortselbst Gedenken in Bronze oder sonst geeignet Scheinendes gießen: Dann sieht man den Wienerwald bald vor lauter Entsatz-Gedenkmälern nicht mehr.

E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2017)

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