Stadtbild

Stephansplatz: Der Dreck der Stadt macht's wieder gut

Was liegt, das pickt? Stephansplatz.
Was liegt, das pickt? Stephansplatz. (c) Wolfgang Freitag
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Wenn helle Granitplatten auf dunkle Kaugummibatzen treffen: ein Lokalaugenschein.

„Was liegt, das pickt“, lautet ein unumstößliches Gesetz heimischer Kartenspielerrunden; und das untersagt, ausgespielte Karten noch einmal aufzunehmen. Was zu untersagen einsichtigerweise nur deshalb nötig ist, weil es grundsätzlich mühelos möglich wäre, König, Dame oder Zehner wieder vom Tisch zu entfernen, sollte man anderweitig disponieren wollen. Schließlich picken sie ja nicht wirklich.

Ganz anders die adhäsiven Dinge bei jenem Material, das uns heute an dieser Stelle beschäftigt. Das nämlich pickt, sobald es liegt, und ist auch nicht mehr ohne Weiteres von seiner Unterlage zu lösen. Die Rede ist von Kaugummi – vorzugsweise dann, wenn er erst einmal gekaut ist. Dass der und sein Hauptcharakteristikum, mit allem, was ihn umgibt, eine einigermaßen unauflösbare Beziehung einzugehen, eine Stadtbild-relevante Causa sein können, wurde mir kürzlich wieder einmal deutlich, als es mich eher zufällig über den mittlerweile partiell neu gestalteten Stephansplatz trieb. Da fand ich zu meinen Füßen die eben doch noch ganz und gar unbefleckt gewesenen Waldviertler Granitplatten durch allerlei Batzen bemustert, die sich vor dem strahlend hellen Stein einigermaßen dominant in den Blickpunkt rückten.

Besserwisser mögen an dieser Stelle einwenden, es sei eben nicht besonders lebenspraktisch gedacht, öffentliche Räume so hell und also schmutzempfindlich auszukleiden. Je nun, sie und andere besorgte Seelen mögen an dieser Stelle getröstet sein. Ein paar Schritte weiter, in der Kärntner Straße, findet sich seit einigen Jahren dieselbe Pflasterung. Und siehe: Kaugummibatzen auch hier, doch der Stein ist mittlerweile so weit eingegraut, dass eins vom anderen kaum mehr zu unterscheiden ist. Was für ein Glück: Der Dreck der Stadt macht alles wieder gut.

E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2017)

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