Im Schönbrunner Park

Wenn wir bei Plusgraden gerne joggen gehen, dann können wir das bei dieser Apokalypse auch!
Wenn wir bei Plusgraden gerne joggen gehen, dann können wir das bei dieser Apokalypse auch!(c) Clemens Fabry
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Minus acht Grad, es ist das perfekte Jammerwetter.

Am Sonntag überlegten wir, wo wir uns am besten über die arktische Kälte beschweren und die Sommerlaune herbeiwünschen könnten, zu Hause oder im Kaffeehaus, aber dann überfiel uns eine melodramatische Idee: Wenn wir bei Plusgraden gerne joggen gehen, dann können wir das bei dieser Apokalypse auch! Überleben wir das, oder enden wir auf dem Weg in den Park wie diese starr gewordene Schrei-Figur von Edvard Munch? Wir mussten es ausprobieren, also zogen wir an: zwei Sporthosen, Sportpullis mit perfektem Feuchtigkeitstransport, windfeste Jacken, eine besonders fest sitzende Haube, die einen eigenen Namen hat („Performance“), Mundschutz, atmungsaktive Socken und Handschuhe, die sich anfühlen wie Tauchflossen. Ich fand, wir sahen aus, als wären wir mit der U4 zum K2 unterwegs, wie gut gelaunte norwegische Touristen auf Sommerfrische. Etwas seltsam also, aber nach einer ordentlichen Runde im Park sind wir lebend wieder daheim angekommen. Körpertaub, aber lebend.

Ich mag Extremwetterkleidung, leider brauche ich sie so gut wie nie, und teuer ist sie auch, deswegen kaufe ich das Zeug haufenweise zu Angebotszeiten, dann habe ich immerhin 20 Prozent weniger Geld aus dem Fenster geworfen. Wer mir etwas verkaufen möchte, der muss nur mit diesen Wörtern jonglieren: winddicht, atmungsaktiv, Thermo, und – hundertprozentige Kaufgarantie – Polartec. Einmal habe ich einer ebenfalls migrantischen Freundin geschildert, welche Art von atmungsaktiven Sportjacken ich besitze, das hat sie leicht entsetzt. „Integrierter als Funktionskleidung kann man gar nicht sein“, hat sie gesagt. Ich glaube das aber nicht, ich bin schließlich türkischer Herkunft, und wenn man da die Auslegung diverser Studien ernst nimmt, bin ich a priori unintegrierbar, da hilft auch die Daunenweste nichts.

Im Übrigen jogge ich am liebsten im Schönbrunner Park. Nicht nur, weil es dort schön ist, sondern auch, weil ich bei den Gehpausen so oft von unseren Gästen angesprochen werde, ob ich ein Foto von ihnen machen könne. In Wahrheit gehe ich nur deswegen joggen.

E-Mails an:duygu.oezkan@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2018)

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