Mein Dienstag

Vom Champagner

„Champagner“ darf nur heißen, was aus der Champagne stammt.
„Champagner“ darf nur heißen, was aus der Champagne stammt.(c) Bilderbox
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Champagnisieren tun nur die anderen. Bei der sozialen Heimatpartei feiert man in striktester Zucht mit einem Bier (oder drei).

"Zur Klarstellung", hob der Delegationsleiter der Freiheitlichen im Europaparlament am Gründonnerstagsmorgen auf Twitter an, "Ich habe noch nie Champagner getrunken. Wer mich kennt, weiß das. FPÖ hat mit den Vorwürfen nichts nichts [sic] zu tun, Causa ist rein französisch!"

Potz Blitz, Pauken und Trompeten! Wer hätte sich auch nur in seinem wüstesten Fiebertraum auszumalen gewagt, dass ein waschechter österreichischer Patriot seinen Gaumen mit liederlichem Schaumwein aus den Cépagen des Erbfeindes netzen würde! Champagnisieren, das tun bekanntlich nur die anderen. Bei der sozialen Heimatpartei begeht man feierliche Anlässe in striktester Zucht mit einem Bier (oder drei).

Diese Episode, die sich aus der Prüfung des ein wenig allzu lockeren Finanzgebarens der Fraktion „Europa der Nationen und der Freiheit“ entspann, welcher die FPÖ und ihr Delegationschef gar als Vizepräsident angehören, weht den staunenden Betrachter mit der Tragikomik von Karl Kraus' „Die letzten Tage der Menschheit“ an. „Und jedes Glås / A Franzos'!“, hört man es beinahe tönen, zwar nicht wie seinerzeit von der Sirkecke, aber durchaus im selben Geiste. Denn hierzulande gilt ein kulinarisches Trivium als Symbol volksfremder Abgehobenheit: Champagner, Auster, Kaviar.

Lassen wir die letzteren beiden für heute unangerührt (auch wenn das schade ist), und wenden wir uns dem Champagner zu. Welch irrige Vorstellung, das sei bloß ein Gesöff stinkreicher Kosmopoliten! Exzellenten Champagner gibt es schon um den Preis heimischer Weißweine. Man trinkt ihn in Frankreich (und Belgien) in so gut wie allen Gesellschaftsschichten, wenn man Freunde einlädt.

Wüsste der Delegationsleiter übrigens ein bisschen mehr über Geschichte und Kultur seiner Heimatstadt, so fiele ihm ein, dass der Schlumberger Sekt, gewonnen aus besten Trauben niederösterreicher Bauern, bis 1919 sich der Qualitätsauszeichnung „Méthode Champenoise“ rühmen durfte. Der Vertrag von St. Germain machte dem ein Ende, seither darf nur „Champagner“ heißen, was aus der Champagne stammt. Und das ist, im Gegensatz zu manch anderem, keine Dolchstoßlegende.

E-Mails an:oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2018)

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