Natürlich ist es nie nur ein Spiel

Niederlagen und wie wir mit ihnen umgehen.

„Man muss auch verlieren können“, sagt man zu den Kindern. Und: „Der kann nicht verlieren“ über jemanden, der tobt und weint und mit Dingen schmeißt, weil er bei einem Spiel Letzter wurde oder Zweiter, das ist dann schon egal. Wenn man Erster werden wollte, ist jeder andere Platz eine Niederlage.

Es wird besser mit der Zeit. Man sammelt Erfahrung beim Verlieren. Die Spielfiguren werden nicht mehr vom Brett gefegt, es wird nur noch die Faust geballt, unter dem Tisch. Man beißt sich auf die Lippen und geht geschlagen vom Platz und lächelt tapfer, wenn jemand sagt: „Kopf hoch“ oder „es ist ja nur ein Spiel“. Natürlich ist es nie nur ein Spiel.

Manchmal geht es um nichts, dann ist es leichter, eine Niederlage wegzustecken. Manchmal geht es um alles. Jedes Mal, wenn man antritt, um zu gewinnen, ist einzigartig. Die Umstände, der Gegner, die eigene Verfassung, die Situation kommt genau so nie mehr wieder. Es muss nicht schlechter sein, beim nächsten Mal, aber es ist in jedem Fall anders.

Auch wer nicht selber spielt, sondern nur zusieht, verliert bei einer Niederlage mit, wenn das Herz dabei ist. Und wenn alles schief geht, dann ist es ein bisschen wie Liebeskummer, das geht nicht sofort rational weg, auch wenn es viele gute Argumente für das Ende gibt und den üblichen Trost. „Andere Mütter haben auch schöne Söhne“, heißt es dann oder „there are more fish in the sea“, aber wenn man an die leergefischte Adria denkt, wird es gleich noch trauriger.

Wer lange Jahre österreichischen Fußball geschaut hat, ist Niederlagen schon ein wenig gewohnt. Gleichgültig lassen sie einen trotzdem nie. Sich nun darüber lustig zu machen, mit welchem Schmerz in Deutschland auf das WM-Aus reagiert wird, ist eine ziemliche Verleugnung der eigenen Erfahrungen und macht sie um nichts besser.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2018)

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