Warum so viele Migranten in Österreich wie Deutsche sprechen

Angehörige der zweiten Gastarbeitergeneration haben ihre Kindheit und Jugend zu einem beträchtlichen Teil vor dem Fernseher verbracht.
Angehörige der zweiten Gastarbeitergeneration haben ihre Kindheit und Jugend zu einem beträchtlichen Teil vor dem Fernseher verbracht. (c) imago stock&people
  • Drucken

Bärbel Schäfer, Stephen Dürr, Jasmin Gerat und Heike Makatsch – sie alle haben ihren Anteil daran.

So manch einer hat sich vielleicht schon einmal gefragt, warum viele Österreicher mit Migrationshintergrund Deutsch sprechen, als wären sie in Deutschland aufgewachsen. Beispielsweise „an Weihnachten“ sagen und nicht „zu Weihnachten“. Oder „die Treppe hoch“ statt „die Stiege hinauf“. Oder „Jungs“ statt „Burschen“. Das hat einen simplen Grund: deutsches Fernsehen. Deutsches Privatfernsehen, um genau zu sein.

Viele Türkisch- und Ex-Jugoslawischstämmige zwischen 25 und 40, Angehörige der zweiten Gastarbeitergeneration also, haben nämlich ihre Kindheit und Jugend zu einem beträchtlichen Teil vor dem Fernseher verbracht. Mit Arabella Kiesbauer, Bärbel Schäfer, Mola Adebisi, Stefan Raab, Heike Makatsch, Nadine Krüger, Markus Kavka, Jasmin Gerat, Stephen Dürr, Andreas Elsholz, Oliver Petszokat und wie sie alle hießen.

Manche, weil ihnen ihre überforderten Eltern kein attraktives Alternativprogramm bieten konnten oder wollten. Manche, weil sie Außenseiter waren und kaum Freunde hatten. Und manche, um ihr Deutsch zu verbessern. Da das österreichische Nachmittagsprogramm damals mit dem deutschen nicht ansatzweise mithalten konnte, waren es die deutschen Moderatoren und Seifenopern-Stars, die sie zu ihren Idolen und heimlichen besten Freunden machten. Sie wurden verehrt und imitiert. Optisch natürlich – aber eben auch sprachlich. Und jeder weiß, wie schwer es sein kann, die Sprache, mit der man aufgewachsen ist, wieder loszuwerden.

Für die dritte und vierte Generation trifft dieses Phänomen im Übrigen nicht mehr zu. Bei ihnen kamen schon das Internet und Smartphones ins Spiel, die die Etablierung von Anglizismen und das, was man Jugendsprache (Yolo, Mof, Babo etc.) nennt, förderten. Das Fernsehen war nicht mehr die einzige Unterhaltungsmöglichkeit. Besser wurde ihr Deutsch dadurch nicht.

E-Mails an: koeksal.baltaci@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.