Missverständliche Abkürzungen

Geb. Huhn steht auf der Speisekarte. Und man weiß nicht so recht, was sich hinter den drei Buchstaben verbirgt.
Geb. Huhn steht auf der Speisekarte. Und man weiß nicht so recht, was sich hinter den drei Buchstaben verbirgt.(c) Clemens Fabry
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Wer Million mit Mill. abkürzt, darf sich auch nicht über Hühner mit Mädchennamen wundern.

Geb. Huhn steht auf der Speisekarte. Und man weiß nicht so recht, was sich hinter den drei Buchstaben verbirgt. Der „Duden“ vermutet die Abkürzung für geboren – also dass das Huhn offensichtlich schon auf die Welt gekommen, es also kein Ei mehr ist. Hilfreich wäre dann noch ein *, neben dem das Geburtsjahr steht. Als zweite Bedeutung wird geborene angeführt – also wenn das Huhn verheiratet ist, den Namen des Gatten angenommen hat, aber am Ende noch der Mädchenname steht. Das wird ja in Todesanzeigen oder auf Grabsteinen öfter gemacht, warum also nicht auch auf der Speisekarte? Dahingeschieden ist das Huhn dann ja schon.

Gegen diese Bedeutung spricht allerdings, dass „mit Salat“ wohl weder der aktuelle noch der Geburtsname des Tiers war. Vielleicht steckt aber auch die Information dahinter, dass es sich auf dem Teller um ein gebildetes Huhn gehandelt hat – Sie wissen schon, so gelehrt und klug, dass es etwa nie die Abkürzung Mill. verwenden würde, weil man dahinter sowohl Million als auch Milliarde vermuten könnte, was man gefälligst mit Mio. oder Mrd. abkürzt. In diesem Fall wüsste der Vogel auch, dass es sich beim Eintrag auf der Karte nicht um einen Befehl an den Kellner handelt – „geb Huhn, aber flott“, weil der Imperativ von geben ja gib lautet.

Möglicherweise ist mit geb. aber auch gebogen gemeint – ein versteckter Hinweis, dass der Vogel unter Zuglast dehnbar ist und ohne Last in seine ursprüngliche Form zurückkehrt? Ein Gummiadler also. Dieser wiederum ist eine scherzhafte Bezeichnung für ein Brathuhn. Nun, vielleicht ist das ja die Lösung? Einspruch, Euer Ehren – denn geb. könnte ja auch gebacken bedeuten. Geb, liebe Speisekartenautoren! (In diesem Fall kurz für „Geh bitte!“) Können wir uns darauf einigen, dass ihr statt dieser unsinnigen Abkürzung einfach Backhuhn oder Brathuhn schreibt? Vida! (Vielen Dank!)

E-Mails an:erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2018)


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