Stadtbild

Ein Löwe an der Wand und die Lichter der Großstadt

„Ätsch, ich bin noch da!“ Gaslaternenhalterung, Margareten.
„Ätsch, ich bin noch da!“ Gaslaternenhalterung, Margareten.(c) Wolfgang Freitag
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Was von Wiens Gasbeleuchtung geblieben ist: ein Lokalaugenschein in der Sonnenhofgasse.

Die Zunge zu zeigen zählt bekanntlich nicht zum freundlichsten Vokabular, das unsere Körpersprache zu bieten hat. Und freundlich schaut er auch nicht drein, der Löwenkopf, der da knapp meterweit an gusseisernem Träger aus der Wand ragt, die Zunge aus dem Maul geschoben, als wollt er „Ätsch“ sagen, nämlich: „Ätsch, ich bin noch immer da!“

Je nun, er ist ja einer der Letzten seiner Art, und welcher Zweck ihn einst hierher, in die sonst nicht eben auffällige Sonnenhofgasse zu Wien Margareten verschlagen hat, erschließt sich niemandem auf den ersten Blick. Auch ich, zugegeben, hätte nicht viel anzufangen gewusst mit dem schwarzen Metallarm, der in seiner gewiss kunstvollen Ausführung doch so gar nichts über seine Funktion verrät, ja fast im Gegenteil, sie eher camoufliert als sie zu offenbaren.

Aber da war jene Nachricht eines Leser, die mich auf diese „nicht allgemein bekannten Gegenstände der Stadtmöblierung“ hinwies: die wenigen noch nicht beseitigten Halterungen der Gasbeleuchtung Wiens. Und auf den Standort eines der schönsten Exemplare: eben in der Sonnenhofgasse, unweit der U-Bahn-Station Pilgramgasse.

Wer sich ein Bild davon machen will, wie dieser Restbestand, auf Betriebsbereitschaft komplettiert, zu denken ist, findet unter www.geschichtewiki.wien.gv.at (Schlagwort Öffentliche Beleuchtung) ein Foto davon im Originalzustand. Samt dem Hinweis, 1913 habe man in Wiens öffentlichen Räumen mehr als 45.000 Gaslichtquellen gezählt. Das sollte uns angesichts der nur mehr Handvoll Residuen, die von dieser Riesenmenge 100 Jahre später verblieben sind, auch anderweitig zu denken geben: So schnell kann verschwunden sein, was doch einstmals jedermann und jederfrau so unentbehrlich – und so modern erschien.

E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2018)

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