Enge Tische

(c) REUTERS (Sergio Perez)
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Im Lokal einer Wiener Hip-Kette mit Betonung auf selbst gemacht und bio sitzen wir eng mit den anderen Besuchern beieinander.

Im Lokal einer Wiener Hip-Kette mit Betonung auf selbst gemacht und bio sitzen wir eng mit den anderen Besuchern beieinander, weil zwischen den Tischen nicht einmal Atomteilchen Platz finden. Wir, das sind meine Gästin aus Vorarlberg und ich, und gemeinsam bestellen wir einmal die extravagante Speisekarte rauf und runter, vor lauter Angst, dass der Salat nicht mehr sein wird als die Idee eines Rucolablattes. In diesen Lokalitäten weiß man nie. Nur leider kommt die Kellnerin mit mehreren voll geräumten Tellern daher, und wir müssen unangenehmerweise auf die Nebentische ausweichen. Rechts von mir sitzt ein britisches Paar beim Kaffeetrinken und hat jetzt auch noch meinen Salat vor sich stehen, links dürfen zwei alte Damen auf meine Hauptspeise starren. „Schau“, sagt eine von ihnen, die eine schicke Turmfrisur trägt und mit ihren opulent beringten Fingern auf meinen Teller zeigt, „schau, das ist ein Burger. Das essen die jungen Menschen.“

Ihre Freundin nickt interessiert, holt ihr Smartphone hervor, will den Burger fotografieren, findet aber zuerst ihre Brille nicht, dann die Kamerafunktion, also biete ich meine Hilfe an und fotografiere mein Essen für die fremde Frau. „Und was essen Sie da drüben?“, fragt sie mich. „Salade niçoise“, sage ich, aber sie rümpft die Nase, nein, das sei doch nie im Leben ein Salade niçoise, „aber sicher“, sage ich, und dann will sie es genauer sehen, also nehme ich den Briten meinen Salat weg und schiebe ihnen meinen Burger rüber, damit die alte Dame über meine Vorspeise richten kann. Sie billigt die Zusammensetzung nicht: Zu viel von dem, zu wenig von dem, und während sie so ins Detail geht, fragen die Briten, ob die Burger to recommend seien. Wir sagen ja, ohne gekostet zu haben, also bestellen sie auch einen. Wo die beiden denn herseien, fragt mich die Dame mit Turmfrisur und zeigt auf das Paar, wir fragen nach, sie sagen London, die Damen sind hochinteressiert und wollen allerlei wissen, also dürfen wir zwischen den Tischen ein heiteres Scones-Gespräch übersetzen. „Passiert das oft in Wien?“, fragt mich meine Gästin nach unserem Aufbruch. „Leider nicht“, sage ich.

E-Mails an: duygu.oezkan@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2018)

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