Ein vollumfängliches persönliches Geständnis

Hierzulande haben Weiden, die gestanden haben, also maximal ein Geständnis abgelegt.
Hierzulande haben Weiden, die gestanden haben, also maximal ein Geständnis abgelegt.(c) Getty Images
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In einer perfekten Welt ist die Frage von Sein und Haben vor allem ein geografisches Problem.

Wenn man schreibt, dass einst in Wieden Weiden gestanden haben sollen, wird man darauf hingewiesen, dass das das bundesdeutsche Idiom ist und in Österreich das Perfekt von stehen nicht mit haben, sondern mit sein gebildet wird. Ehrlich gestanden, das ist richtig. Im Duden, erinnert man sich, hat zwar gestanden, dass beim Perfekt von stehen haben steht – es ist aber auch darin gestanden, dass im süddeutschen Raum, in Österreich und der Schweiz, stattdessen das ist verwendet wird. Hierzulande haben Weiden, die gestanden haben, also maximal ein Geständnis abgelegt. Sie können sich vorstellen, dieser Hinweis hat gesessen – obwohl sitzen in Österreich eigentlich auch mit sein gebildet wird. Hat jemand gesessen, versteht man hierzulande maximal darunter, dass die Person in Haft war. Ob sie davor gestanden hat, kann bei der Dauer des Sitzens übrigens durchaus eine Rolle gespielt haben.

Apropos haben, gerade im gesprochenen Deutsch ist auch eine Form verbreitet, die dem Haben ein doppeltes Sein ermöglicht: „Ich habe gestanden gehabt“ als doppeltes Perfekt, das zwar in der Standardsprache eher nicht zum Standard gehört, in der Umgangssprache aber sehr wohl umgeht. In diesem Fall dient es einerseits der Betonung, dass sich etwas jetzt aber wirklich in der Vergangenheit zugetragen hat, andererseits wird es in bestimmten Regionen (Sie wissen schon, Süddeutschland, Österreich und Schweiz – nennen wir es der Einfachheit halber einfach SÖZ), wo das Präteritum den Kampf um die Verwendung gegen das Perfekt verlor (bzw. in SÖZ verloren hat), als Ersatz für das Plusquamperfekt verwendet – ich bin (oder habe?) gesessen, nachdem ich gestanden gehabt habe. Das Doppelperfekt lässt sich übrigens auch mit sein bilden – ich bin gegangen gewesen, zum Beispiel. Aber das habe ich in Österreich wirklich noch nie gehört. Ehrlich gestanden.

E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2018)

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