Wo's zwischen Irland und Britannien grün wuchert

Risse da, Risse dort: Europawegedenkmal, Wien Donaustadt.
Risse da, Risse dort: Europawegedenkmal, Wien Donaustadt.(c) Wolfgang Freitag
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Vereinigtes Europa kraft Ruin: das Europawegedenkmal auf dem Wiener Hubertusdamm.

Wer gängigen geografischen Mutmaßungen nach mitten in Europa lebt, sollte es nicht allzu schwer haben, Wege nach Europa zu entdecken. Schließlich ist er ja schon da. Dennoch: Nicht nur in Tagen hiesiger Ratspräsidentschaft wird Europa des Öfteren als etwas vorgestellt, was es erst zu erreichen gelte. Und vielleicht ist es ja tatsächlich so, dass dieser bedauernswerte Kontinent noch nicht recht bei sich selbst angekommen ist. Aber deshalb gleich ein Denkmal zu errichten?

Da steht es jedenfalls, das Europawegedenkmal, das heißt, genau genommen liegt es da, irgendwie im grünen Ungefähren, über dem Gestade einer Neuen Donau und vor einem stadtplanerischen Großmalheur namens Donau-City: 18 Meter im Durchmesser, errichtet 1987, eine plastische Europalandkarte im Maßstab 1:200.000 vorstellend, wie eine Begleittafel erläutert, aus der Gebirge „in sechsfacher Überhöhung“ steigen, und zwar „aus dem Originalgestein der verschiedenen Gesteinszonen“ geformt.

Wiewohl das Ganze mit irgendwelchen metaphorischen Wegen in Richtung auf eine europäische Idee hin nicht allzu viel zu tun hat, vielmehr handfest – „anlässlich des 125-Jahr-Jubiläums des Österreichischen Alpenvereins“ – den Wandergedanken preisen will, taugt sein Erhaltungszustand durchaus zur Metapher: Abgeschlagen und rundum bröckelnd zeigt es sich, dieses Denkmaleuropa, Risse da und Risse dort, als wollt's getreues Abbild sein des politischen Status quo.

Es wäre freilich nicht unsere Alte Welt, würde nicht selbst im augenscheinlichen Ruin noch Hoffnung keimen: Zwischen Irland und Großbritannien hat Unkraut eine grüne Brücke geschlagen. Und womöglich fehlt ja gar nicht viel, und alsbald wuchert's hier auch, Brexit hin oder her, zwischen Dover und Calais. Vereinigtes Europa kraft Vegetation. Wenigstens auf dem Hubertusdamm.

E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2018)

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