Die Welt kommt nach Kärnten und soll bleiben

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Neun Künstler aus dem In- und Ausland verpflanzen im Rahmen der Nockart ihre Werke in die weiche, runde Landschaft der Nockberge und sollen so intellektuelle, liberale, weltoffene Touristen ins Land lotsen.

Ossiach. Künstler sind der Stachel im Fleisch der Gesellschaft, Künstler öffnen die Augen und den Geist. Deshalb setzt Kärnten auf Künstler als Motoren für die Entwicklung im Süden. Christian Einfalt, in Millstatt lebender Konzeptkünstler vom Duo Ramacher & Einfalt, das derzeit im Stift Ossiach eine acht Meter lange Schiffsskulptur zeigt, berichtet: „In Kärnten ist ein generelles Aufatmen zu bemerken.“ Doch angesichts frommer Wünsche der Politik bleibt Christian Einfalt kritisch. „Die Künstler sollen in Kärnten alle beglücken und auch noch wirtschaftliche Kapazitäten eröffnen.“ Das ist zu viel verlangt, doch jedenfalls kommt Kunst gut in Kärnten.

Gottfried Bechtold versteht es mit Landschaft, Stein und Ortsbezogenheit umzugehen. Sein Vorschlag zur Kosmopolitisierung Kärntens: Eine Skulptur, die er vor einem Vierteljahrhundert aus fünf riesigen, die Kontinente darstellenden Monolithen für die UNO-City schuf, soll jetzt nach Kärnten wandern. Die hundert Tonnen schweren Streichelsteine wurden in der UNO-City im Zuge einer Bauspekulation abgebaut und teilweise zerstört. „Jetzt liegen 360 Tonnen Stein aus New South Wales, Brasilien und Russland in einem rechtlich ungeklärten Zustand bei der Wiener Russenkirche, verpackt wie von Christo, hinter einem Bauzaun“, erzählt Gottfried Bechtold und schlägt vor, die Urgesteine in die Nockberge oder in Bad Kleinkirchheim zu implantieren. „Das kann ein Urgesteinstourismus sein, eine poetische Arbeit, aber auch eine Form des Recyclings von Kunstwerken.“ Die Idee ist klar: Die Welt kommt nach Kärnten und dort soll sie auch bleiben, meint Gottfried Bechtold,

Nockart – nackert?

Für die Kunstinitiative fand Bad Kleinkirchheim einen lustigen Namen: Nockart, Kunst in den Nockbergen, wohl auch eine Anspielung auf den Kärntner Dialektausdruck „nokat“, also nackt, die Besinnung auf das Eigentliche, das Wesentliche. Bad Kleinkirchheim liegt auf 1000 Metern Höhe in den Nockbergen, die ihre Kuppen auf bis zu 2400 Meter wölben, eine ganz eigene, fast unwirklich schöne Landschaft. Zwei Drittel aller Behausungen in der Nockgemeinde Bad Kleinkirchheim sind Zweitwohnsitze, viele Norditaliener haben hier ihr Geld in Immobilien gesteckt. „Zu Ferragosto spricht fast jeder Zweite im Ort Italienisch“, sagt Stefan Heinisch vom örtlichen Tourismusverband. Aber auch Gäste aus dem Osten haben Kleinkirchheim und seine warmen Quellen für ihren Urlaub entdeckt.

Hinaus aus den Galerien und Museen, hinein in die Landschaft lautete die Devise der Land-Art. „Diese Kunstform schaut heute anders aus als in den 1960er- und 1970er-Jahren“, weiß Edelbert Köb, ehemaliger Museumsdirektor, der als Kurator für Bad Kleinkirchheim die Kunstwelt ins Dorf holen will. „Wir laden Künstler mit ganz verschiedenen Zugängen ein, Stellung zu nehmen. Bad Kleinkirchheim ist schließlich eine Kulturlandschaft bis auf den letzten Gipfel hinauf.“ Dorthin führen sechs Nockart-Wanderwege als Teil des Alpe Adria Trails zum Flanieren auf dem Berg. „Die Kunst schafft sich ihren Raum“, sagen Lois und Franziska Weinberger, die bei Nockart mitmachen. Die beiden Natur- und Zivilisationskünstler entwickeln dabei ihre Idee der Pflanzenmigration weiter: Ihr Projekt „Portable Garden“ lässt Anden-Opuntien nach Bad Kleinkirchheim einwandern, denn, so Lois und Franziska Weinberger: „Der Begriff Heimat hat längst ausgedient.“

Der heutige Kärnten-Reisende ist, so definiert ihn zumindest Christian Kresse, Chef der Kärnten Werbung, ebenso intellektuell wie liberal, weltoffen und kultur- und kulinarikaffin. Er sucht und findet die Alpe-Adria-Kulinarik, verfeinerte Kärntner Küche, etwa beim köstlich kochenden Metzgerwirt Manni Stadler in Radenthein. Hier wird die Kärntner Kulinarik über die Kärntner Nudeln hinaus zelebriert, Essen für die Seele. „Das Wort Seele kommt von See“, meint Manni Stadler, der Philosoph unter den Kärntner Wirten. „Es ist der See mit seiner atmosphärischen Ausstrahlung, die hier den Menschen guttut.“ nockart.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2013)

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