Rendezvous mit Marille, Vogelbeere und Rübe

Zwetschken / Pflaumen
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Kulinarik. Auf der Schnapsroute in Tirol Hochgeistiges inhalieren. In Norwegen essen ohne Worte, in Paris beim Kochfestival Omnivore naschen..

Sie ist ein kleine Berühmtheit, auch wenn man ihr das kaum ansieht. Ihre Prominenz verdankt sie aber auch ihren inneren Werten. Nicht nur die Obstbauern im Westen Tirols schätzen die Stanzer Zwetschke, die ihren besonderen Geschmack den sonnenreichen Südhängen rund um das Dorf Stanz oberhalb von Landeck, dem Föhn und den üblichen großen Temperaturunterschieden im Gebirge verdankt. Auch bei den Schnapsbrennern steht sie hoch im Kurs und ist seit Generationen Grundstoff für beste Obstbrände. Auf den Wiesen um das kleine Dorf Stanz stehen Armeen von Obstbäumen Spalier. Jeder Garten ist gut gefüllt mit Apfel-, Birnen- und Pflaumenbäumen. Und das ist das Fundament für die ungewöhnliche Dichte an Schnapsbrennern. Gut 650 Einwohnern hat Stanz und 54 Brennereien.
Im Nachbardorf Grins schaut es nicht viel anders aus. 120 Brennrechte gibt es dort, und wer durch die Gassen schlendert, gewinnt bald den Eindruck, dass es kaum ein Haus geben dürfte, in dem kein Schnaps gebrannt wird. Aber wir sind ja in Tirol, wo es landesweit rund 4000 Brenner gibt und wo die Dörfer oberhalb von Landeck das Zentrum dieses hochprozentigen Phänomens sind. Zum Brennen sind die Stanzer nicht viel anders gekommen als ihre Kollegen im restlichen Tirol. „Da bei uns seit Jahrhunderten Obstbau betrieben wird, hat man früher aus den Überresten, vor allem dem Fallobst, dann einen Schnaps gebrannt“, erzählt Christoph Kössler, dessen hochmoderne Brennerei der Vorzeigebetrieb im Ort ist.

Trend zu Regionalität und Qualität

Bei der stattlichen Zahl von 4000 Schnapsbrennern ließe sich eine abwechslungsreiche Reise durch das Tiroler Land anstellen. Von Brenner zu Brenner, wobei da unterschiedlichste Begegnungen warten – von hochmodernen Edelbrennern mit Designerambiente bis zum knorrigen Bergbauern, der ganz hinten im Stadel seinen Obstler brennt und sich im Ab-Hof-Verkauf ein paar Euro dazuverdient. Bei der Schnapstour könnte man sich zumindest am Anfang der offiziellen Schnapsroute anvertrauen, einer Initiative des Agrarmarketings Tirol. Dort haben sich zahlreiche Brenner zusammengeschlossen und auch eine spezielle Tiroler Schnapsflasche kreiert. „Wir haben derzeit einen Trend zur Regionalität und zu klassischen Rohstoffen“, sagt deren Geschäftsführer, Wendelin Juen. Und einen Trend zu mehr Qualität. Mittlerweile gibt es allein in Tirol rund 60 ausgebildete Edelbrand-Sommeliers.
Die zehn Brenner entlang der Schnapsroute sind alle im Oberland zu Hause und da vor allem in Stanz, Grins, im Kaunertal und Pitztal. Weiter geht die Reise innabwärts vorbei an Innsbruck bis nach Wattens. Eine strahlende Sehenswürdigkeit ist auf der linken Innseite. Wenn es um Tiroler Schnaps geht, dann fällt der Name Rochelt. Der Edelbrenner unter den Edelbrennern residiert direkt am Innufer in Fritzens und empfängt seine Gäste mit großzügigen Degustationsräumlichkeiten. 1991 wurde der Betrieb von Günter Rochelt gegründet, heute führt Schwiegersohn Christian Rainer die Geschäfte und setzt dabei weiter auf Spitzenqualität. Ob es die Marillen aus der Wachau oder handgepflückte Waldhimbeeren sind, bei Rochelt sollen nur beste Rohstoffe verwendet werden. „Dafür zahlen wir den Bauern auch das Fünffache des üblichen Preises“, sagt Rainer. Der Aufwand zusammen mit dem Doppelbrandverfahren und den begleitenden Untersuchungen im Gaschromatografen erklären auch die durchaus selektiven Preise bis zu 200 Euro für ein 0,35-Liter-Flascherl Vogelbeere oder Waldhimbeere in der markanten Tiroler Zangenflasche. Was den Besuch überraschend interessant macht, ist die Tatsache, dass der Familienbetrieb auch Fruchtaufstriche und Speck selbst herstellt. Man kann es sich hier auch als Abstinenzler gut gehen lassen.

Salvenkirsche und Stanzer Zwetschke

Ein paar Kilometer weiter innabwärts begegnen wir auf unserer Schnapstour einer ganz anderen hochprozentigen Persönlichkeit. Für die Leute in der Wildschönau, dem Hochtal zwischen Brixental und Alpbachtal, ist ihr Schnaps aus der Stoppelrübe mehr als nur ein Schnaps. Ein Hausmittel, das gegen Magenbeschwerden und allerlei andere Zipperlein helfen soll, ein gewöhnungsbedürftiges Lebenselixier, für das im Herbst sogar ein eigenes Fest gefeiert wird. 16 Bauern im Tal brennen den Krautinger. Einer von ihnen ist der Thaler-Josef vom Steinerhof, der in seinem Gasthaus nicht nur Krautinger-Lehrstunden anbietet. Die Krautingerrübe kommt bei ihm auch in die Kochtöpfe und als Rübensuppe oder als Beilage zum Braten auf den Tisch. Für einen Nicht-Wildschönauer braucht es schon ein wenig Gewöhnung, bis man sich mit dem herben Geschmack angefreundet hat. Andererseits haben wir es hier mit einem Mitglied der Genuss-Region Österreich zu tun, übrigens ebenso wie die Stanzer Zwetschke.
Weiter draußen im Unterland hat die Brennerei nicht ganz die lange Tradition wie in der Landecker Region. Kleine Brennereien gibt es dennoch reichlich. Eine davon versteckt sich am Dorfrand von Söll zu Füßen der Hohen Salve. Der Oberkollerhof wurde 1492 gebaut, in dem Jahr, in dem Kolumbus Amerika entdeckte, und ist heute in der 17. Generation im Familienbesitz. Der Bauer Simon Koller hat nebenan seine kleine Brennerei, wo er ganz traditionell Obstschnäpse, vor allem Apfel, Birne und Holunder, brennt. „Alles, was bei uns wächst“, schränkt er ein. Nur die Marille kauft er zu. Seine Spezialität ist die Salvenkirsche, die vor hundert Jahren aus Russland importiert wurde und die er oben auf der Alm angepflanzt hat. „Oben wächst sie besser als herunten im Tal.“ Für Koller ist der Schnaps, den er ab Hof und auf der Alm verkauft, ein Nebenverdienst. Genauso wie das selbst gemachte Eis mit Früchten und dem Schlagobers aus der eigenen Landwirtschaft. Heutzutage musst du als Bauer einfallsreich sein.

Web: www.schnapsroute.at, www.brennereidorf.at, www.rochelt.com, www.wildschoenau.com/de/
wildschoenauer-krautinger

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