In Gustav Mahlers Komponierhäuschen am Wörthersee

Maiernigg bei Klagenfurt Anfang des 20. Jahrhunderts – Sommerfrische-Setting.
Maiernigg bei Klagenfurt Anfang des 20. Jahrhunderts – Sommerfrische-Setting.Pörtschach Archiv
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Erhöht im Wald über dem Wörthersee-Südufer steht eines von Gustav Mahlers Komponierhäuschen. Kurzbesuch in einer der schöpferischsten Zellen des musikalischen Genies. Sein Spirit wirkt am Ort nach.

Hohe Bäume umrahmen das schlichte Häuschen, ein schmaler Weg führt vom Ufer herauf, die Geräusche der Straße werden von dem Idyll verschluckt. Und durch ein kleines Laubfenster glitzert Wörtherseewasser. Einen Ort wie diesen schätzte Gustav Mahler, er suchte ihn förmlich. In einsamer Natur fand er von seiner Arbeit als Hofoperndirektor und vor den zunehmend antisemitischen Anfeindungen in Wien Entlastung, aber noch vielmehr Inspiration als Komponist.

„Das Haus war nichts als ein großes gemauertes Zimmer mit drei Fenstern und der Eingangstür“, schrieb Alma Mahler über die nicht immer glücklichen Tage, die sie gemeinsam zur Sommerfrische am Wörthersee, am Südufer bei Maiernigg, verbrachten. Drinnen damals: ein Klavier, ein Tisch, ein kleiner Ofen und eine Stellage mit Büchern (Kant und Goethe).

Das tägliche Ritual, bei dem Mahler von seiner noblen, 1901 direkt am Ufer errichteten Villa den steilen Hang zur Schöpfungszelle hinaufstieg, durfte weder durch die Familie noch durch die Bediensteten durchkreuzt werden. Bereits am Attersee hatte Mahler (bis zu einem Zerwürfnis mit dem neuen Vermieter) ein kleines Häuschen zum Komponieren genutzt. Und auch später, nach dem plötzlichen Tod der Tochter und der abrupten Aufgabe seines Sommerwohnsitzes am Wörthersee hatte Mahler ein weiteres Kleinobjekt mit Großem erfüllt – in Toblach im Pustertal.

Mahlers Komponierhäuschen
Mahlers KomponierhäuschenWolfgang Handler

Wohl war die Wörthersee-Zeit eine der fruchtbarsten in Mahlers Biografie: Hier entstanden die rein instrumentalen Symphonien (5., 6., 7.), die 4. konnte der Komponist im Wald von Maiernigg finalisieren, und Teile der 8. schreiben. Sicher war es auch der See, der einige Ideen geliefert hat, verbrieft ist etwa eine Anmerkung über die Ruderschläge, die Mahler beim Übersetzen von Krumpendorf zu seiner Sommervilla begleitet haben (in Privatbesitz).

Lang war das kleine spartanische Gebäude im Wald am Südufer auch weniger bekannt. Seit einer Revitalisierung 2016 ist das Mahler'sche Komponierhäuschen aber ein kleines Museum mit Musik und ein Ort der künstlerischen Begegnung, an dem Vorbeikommende immer wieder in inspirierte Geschichten einbezogen werden.

Planeteninstallation

Zurzeit hat der in Kärnten gebürtige und in Wien wie in den USA arbeitende Künstler Wolfgang Semmelrock Mahlers Komponierhäuschen in Maiernigg zum Ausgangspunkt einer Installation gemacht. Oder genauer gesagt, eine Stelle in Mahlers Werk gab Anstoß zu Semmelrocks „Planetenklang“. Im Brief an den Dirigenten Willem Mengelberg: „Ich habe soeben meine Achte vollendet. Denken Sie sich, dass das Universum zu tönen und zu klingen beginnt. Es sind nicht mehr menschliche Stimmen, sondern Planeten und Sonnen, welche kreisen . . .“

Mahlers Komponierhäuschen
Mahlers KomponierhäuschenSemmelrock

Und so kreisen wie Planeten Semmelrocks charakteristische aufblasbare Objekte rund um diese schöpferische Stätte, jedem gedanklich ein Werk Mahlers zugeordnet. Darunter hat der Künstler auch zwei Klangobjekte oder besser Klanghelme konzipiert: Sie sehen wie Trockenhauben beim Friseur aus, und wenn man sich darunterstellt, kann man über Kopfhörer Mahler'sche Kompositionen hören. Auch für Semmelrock (der mit Mahler den Geburtstag am 7. Juli teilt) wirkt dieser vom Trubel des Sees abgehobene Ort wie ein Kraftplatz, und er greift in den Aktionen vor Ort dessen meditative Qualität auch auf.

In der Vorwoche waren Besucher zu einer Session eingeladen, gemeinsam eine Klangharmonie zu erzeugen. Zur Idee gehörig ist ein weiteres aufblasbares Objekt namens „Gustav I“, das sich in der Galerie Walker von Schloss Ebenau im Rosental befindet – dort wird es demnächst eine Sternennacht mit Teleskopen und astronomischer Unterweisung geben, um eine besonders spezielle Himmelskonstellation zu beobachten. Und demnächst werden die Mahler'schen Planeten von Semmelrock in eine weitere Umlaufbahn gebracht: nach Chicago.

MAHLERS ORT

Gustav Mahlers Komponierhäuschen: 1893–1896: Steinbach am Attersee, www.mahler-steinbach.at

1900–1907: Maiernigg am Wörthersee, www.kultur.klagenfurt.at

1908–1910: Toblach, www.kulturzentrum-toblach.eu

Events in Maiernigg: Planetenklang in Maiernigg: 21. 7., elf Uhr, Wolfgang Semmelrock liest „Am Ort der Inspiration“, aus seinen Projektnotizen. 22. 7.: Session „Planetenkreis schließt sich“, zwölf Uhr. „Außenplanet“ in der Galerie Walker, Schloss Ebenau in Weizelsdorf/Rosental.

Tipps: Reihe „Sonntagsmahlern“: Workshops, mehr auf Facebook.

Museum: Do–So, 10–13 Uhr, 15 Minuten Fußweg ab Parkplatz Strandbad Maiernigg.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2018)

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