Seychellen: Barfuß auf der Insel der Riesenschildkröten

Das Maia Resort auf der Hauptinsel.
Das Maia Resort auf der Hauptinsel. North Island, Maia Resort, Wallner
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Wer Einsamkeit und Luxus sucht, ist auf North Island nicht ganz falsch. Hier duscht man mit Flughunden und fischt das Abendessen.

Dass Brutus ein Kämpfer ist, erkennt man nicht sofort. Langsam und mit majestätischer Andacht stapft er auf seinen vier Beinen zwischen Palmbäumen durch das kurz geschnittene Gras auf North Island; die wenigen Passanten, die ihn zu Fuß, auf einem Rad oder in einem Buggy überholen, ignoriert er. So friedlich wie gerade eben war der Alltag von Brutus in seinen 180 Lebensjahren nicht immer. Die tiefen Einbuchtungen auf seinem Panzer verraten es. Ein betrunkener Gast hatte ihn in der Dunkelheit übersehen und gerammt (und wurde daraufhin der Insel verwiesen). Seither trägt das Tier reflektierende Streifen auf seinem Panzer. Sonst leben Brutus und die anderen 100 Aldabra-Riesenschildkröten auf der zwei Kilometer langen und einen Kilometer breiten North Island friedlich und ohne große Störung.

Eines der Freiluftwohnzimmer auf North Island.
Eines der Freiluftwohnzimmer auf North Island.Andrew Howard

North Island ist nur 201 Hektar groß und doch die neuntgrößte Insel der Seychellen. Wer sich für das Archipel im Indischen Ozean als Reiseziel entscheidet, will (ganz ähnlich wie bei den Malediven) in erster Linie ein Abziehbild dessen, was Menschen durchschnittlich unter Paradies verstehen: weiße Strände, türkisblaues Wasser, tropisches Klima. Und die Inselgruppe ist diesbezüglich ziemlich verlässlich: Wer das Paradies sucht, wird hier schon fündig, wenn er auf der Hauptinsel Mahé aus dem Flugzeug steigt und in einem soliden Hotel eincheckt. Denn es gibt sie auch hier, die einfachen Appartementhäuser und Resorts mit überschaubaren Preisen; die sozialistische Regierung unter Danny Faure und seinen Vorgängern hat im vergangenen Jahrzehnt darauf geachtet, mehr leistbare Unterkünfte für eine breitere Masse zu errichten. Und doch sind die Seychellen für etwas anderes bekannt: für Luxus fast ohne Limit.

Ziemlich nah an dieses typische Bild der Seychellen kommt North Island, die erste Insel der Seychellen, die Anfang des 17. Jahrhunderts von Europäern besucht wurde. Die Anreise erfolgt per Motorboot oder – gegen Aufschlag – per Helikopter. Nur elf Villen gibt es auf der privat geführten Insel, die bis 2003 aufgrund einer Rattenplage unbewohnbar war. 1997 hatte sich das Unternehmen Wilderness Safaris vorgenommen, die Insel zu bewirtschaften und die heimische Tier- und Pflanzenwelt zu erhalten, freilich erst nachdem alle Ratten vernichtet wurden.

Prinzenpaar auf Honeymoon

North Island ist heute Luxusresort und Naturschutzgebiet zugleich. Autos sind nicht erlaubt. Die Insel ist nur gering bebaut, die Villen sind mehrheitlich aus Holz gebaut, durch Hitze und Feuchtigkeit haben Möbel und Textilien nach 15Jahren schon Patina angesetzt. Das hat Charme, mag aber nicht jedem Gast imponieren, der hier 6500 Euro pro Nacht und Villa ablegen muss. Wer ankommt, muss sich einer Gepäckkontrolle unterziehen – die Angst vor Schädlingen ist groß. Schuhe sind hier überflüssig; wer will, kann alle Wege barfuß erledigen. Sogar den auf den höchsten Punkt der Insel, einen 180 Meter hohen Granitfelsen, von dem aus man das kleine Eiland wunderbar überblicken kann und an dessen Fuß die Spa-Villa steht.

Eines der Freiluftwohnzimmer auf North Island.
Eines der Freiluftwohnzimmer auf North Island.Karl Blackwell

Am Oststrand sind die elf Villen wie Perlen aneinandergereiht. In Villa 3 hat das britische Thronfolgerpaar Prinz William und Catherine seine Hochzeitsreise verbracht. Angeblich waren auch David Beckham, Salma Hayek, Angelina Jolie und Brad Pitt schon hier. Aber über prominente Gäste gibt Bruce Simpson, der 50-jährige Managing Director des Resorts, keine Auskünfte, er nickt bestenfalls, wenn man ihn dazu befragt.

Man lebt hier in den 450 m?großen Presidential Villas mit der Natur, in der Freiluftdusche kann man den Flughunden in den Takamakabäumen beim Abhängen zusehen, im Garten grast eine Verwandte von Brutus. In Villa 2 hat sich die Schildkrötenmama ein Nest gebaut, zwischen Februar und Mai legt sie ihre Eier, im November schlüpfen die Minitortoises. Auf dem Weg zum Weststrand, wegen seines besonders weißen Sandes und der bildhübschen Palmen Honeymoon Beach genannt (und ja, hier kann man auch heiraten, ein Standesbeamter fliegt dafür von der Hauptinsel ein), passiert man die „Beachbar“ der Schildkröten: einen Golden-Apple-Baum. Wenn die Früchte auf dem Boden vergoren und die Tiere davon naschen, werden sie davon leicht betrunken. Am Strand legen die ebenfalls unzählig auf der Insel vorkommenden Meeresschildkröten ihre Eier in den Sand.

(c) Die Presse

Das Lächeln der Butler

Dauergäste gibt es auf North Island nicht, das Hotelmanagement weist Anfragen für Aufenthalte von mehreren Wochen oder Monaten, freundlich zurück. Andere sollen auch etwas von dem Barfußluxus haben. Hier leben können nur die 120Angestellten des Resorts. Es sind Menschen wie der schmale, stets lächelnde Surya, Butler der Villa 2. Er ist 35 Jahre alt und kommt aus Bali. Die Arbeit hier ist nicht nur besser bezahlt als zu Hause, sie gefällt ihm wirklich gut, sagt er, während er die Reifenstärke der Fahrräder prüft, die vor jeder Villa stehen. Er mag die Tiere und die Ruhe. Zweimal im Jahr fliegt er nach Hause und besucht seine Eltern. Gerade hat er ihnen ein neues Auto gekauft. Wenn er freihat, bleibt er meist auf der Insel, wo jeder der Mitarbeiter ein kleines Appartement hat, geht joggen und schwimmen. Die Gäste, die er betreut, kommen aus Russland, Europa und den USA, nur gelegentlich aus China. Nur selten seien die Gäste anspruchsvoll, einmal hatte er ein Paar zu betreuen, das ihn immer mitten in der Nacht weckte, weil es hungrig war. Dann musste er den Küchenchef wecken, der ihnen ein Gericht zubereitete. Man ahnt, dass Surya noch ganz andere Anekdoten von Gästen erzählen könnte, weiß aber, dass Diskretion eine seiner obersten Pflichten ist.

Das „In-Villa-Dining“ ist hier Standard, viele Gäste schätzen North Island auch, weil sie tagelang niemandem begegnen müssen. So sind die Tische im einzigen Inselrestaurant meist nur schmal besetzt. Die Küche besteht vor allem aus landestypischen kreolischen Gerichten und Fisch, Fisch, Fisch. Wer will, kann sich seinen Bonito oder Schwertfisch für das Abendessen untertags selbst fangen. In der Früh um sieben geht es hinaus mit Chefkoch und Skipper, beide von der Hauptinsel, die einem die richtige Haltung beim Hochseefischen zeigen.

Mangos wachsen hier nicht

Die Grenzen des Insellebens spürt man in der Küche bei anderen Sachen. Mangos zum Beispiel sind hier rar, sie wachsen nicht auf den Seychellen, sondern werden aus Südafrika oder Europa importiert. Sie kosten 35 Euro das Kilo, das ist teurer als so mancher Champagner. Ähnliches gilt für Tomaten und Kokosnüsse. 90Prozent der Lebensmittel müssen auf die Insel geliefert werden, zweimal pro Woche kommt ein großes Schiff, bringt Lebensmittel und nimmt den Müll mit.

Wer im Urlaub weniger Einsamkeit sucht, für den sind Anlagen wie das Maia Luxury Resort & Spa auf der südlichen Westseite der Hauptinsel Mahé vermutlich mehr geeignet als privat geführte Insellodges. Auch hier gibt es großzügige Villen mit Privatpool, atemberaubendem Meerblick – und 24-Stunden-Butlerservice. Die Seychellen haben 93.000 Einwohner – wie klein die Inselwelt ist, erahnt man beim Plaudern mit Angestellten: Butler Delfi etwa ist ebenfalls aus Bali. Er wirkt ganz unglücklich, wenn man keine Sonderwünsche hat. Mehrmals am Tag ruft er an und fragt, ob er ein In-Villa-Breakfast zubereiten oder die Freiluftbadewanne einlassen soll. Irgendwann kommt man auf Insel North Island zu reden und stellt nicht nur fest, dass Delfi einige Jahre dort gearbeitet hat, sondern auch den 35-jährigen Surya kennt, die gemeinsame Heimat verbindet. Auch Delfi versichert, dass er gern auf den Inseln lebt. „Vor allem, weil das Klima so ähnlich ist wie zu Hause.“ Früher war er in Dubai, dort habe es ihm nicht so gut gefallen, erzählt er. Ein Vorteil von Resorts wie dem Maia ist, dass man leichter ins Inselleben eintauchen kann. Auch wenn die Attraktionen überschaubar sind, lassen sich von hier Ausflüge nach Victoria, mit 26.000Einwohnern angeblich die kleinste Hauptstadt der Welt, und zu den Nachbarinseln Silhouette oder Praslin gut machen. Nur auf Letzterer wächst übrigens die legendäre Coco de Mer, die Meereskokosnuss.

Coco de Mer, Symbol der Inseln

Sie ist das Wahrzeichen der Inseln, und ist ein bisschen wie die Seychellen: verführerisch, aber wählerisch. Die Coco de Mer blüht erst mit 20 zum ersten Mal, dann paaren sich die männlichen Palmen, deren Blütenstand aussieht wie ein meterlanger Penis, mit den weiblichen Palmen, deren Samen an einen Frauenschoß erinnern. Man bekommt die herzförmigen, (im Original) kürbisgroßen weiblichen Früchte und die männlichen Blütenständer überall als Souvenir, etwa als Schlüsselanhänger oder auf T-Shirts bedruckt. Nur wer auf North Island war, nimmt eher eine Miniversion von Brutus, der Riesenschildkröte, als Andenken mit.

ARCHIPEL IM INDISCHEN OZEAN

Seychellen: Archipel mit 115 Inseln im Indischen Ozean, gehören zu Afrika. Landessprachen sind Englisch, Französisch und Kreol.

Anreise: Direktflüge aus Österreich

auf die Hauptinsel, Mahé, gibt es derzeit keine. Turkish Airlines fliegen dreimal die Woche um ca. 750 Euro mit einem Stopp. Reine Flugzeit: ca. zehn Stunden.

Barfußluxus kann man auf der privat geführten, zwei km? großen North Island erleben. Elf Villen, für vier Personen ab 6100 Euro/Nacht. Die Anreise per Boot ist inkludiert, per Hubschrauber kostet extra. www.north-island.com,
https://wilderness-safaris.com

Etwas belebter ist das Maia Luxury Resort an der Westküste der Hauptinsel mit 30 Villen mit 180-Grad-Meerblick, Privatpool, Butler, ab 1724 Euro/Nacht.

Compliance-Hinweis: Die Reise wurde von www.wilderness-safaris.com, Turkish Airlines, North Island, Maia Resort, Mason's Travel und ZilAir unterstützt.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2018)

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