Legende mit Gegenverkehr

Mulholland Drive
Mulholland Driveimago/ZUMA Press
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Der sagenumwobene Mulholland Drive bietet eine schöne Atempause bei einem Besuch von Los Angeles. Yoga, Wandern und Promi-Schauen inklusive.

Das Triumvirat der legendären Straßen in Los Angeles heißt Rodeo Drive, Sunset Boulevard und – natürlich – Mulholland Drive. Oberhalb der Stadt sorgt Letztere für Mythen und Filme wie David Lynchs' Klassiker, wurde von R.E.M., Bob Seeger und The Doors besungen, dient als Kulisse für Streifen wie „L.A. Crash“ und als Adresse, mit der man zeigen kann, dass man es geschafft hat. Im Internet kursieren Pläne, die versprechen, gegen einen kleinen Obolus alle Hausnummern der Reichen und Schönen zu enthüllen, einige davon finden sich auch so. Vor allem die Hausnummern einstiger Bewohner. So hat John Lennon an Nummer 12721 gelebt, ein Stück weiter kann Nummer 12850 auf gleich zwei prominente Bewohner verweisen: Hier lebten nacheinander Roman Polanski und Jack Nicholson. Zu weiteren prominenten Anrainern zählten etwa Madonna (6342), Marlon Brando (12900), Faye Dunaway (15147), Demi Moore und Bruce Willis (13511) oder Warren Beatty und Annette Bening (13671). All ihren Anwesen gemein ist aber, dass diese Prominenten wissen, wie sie sich sogar vor den Teleobjektiven der bestausgerüsteten Paparazzi schützen, weshalb der gemeine Tourist außer gepflegten, dichten Hecken nicht viel zu sehen bekommt.

Wirklich lohnend ist die Fahrt entlang der berühmten Straße eher dann, wenn man die – relative – Ruhe weniger als zehn Fahrminuten oberhalb des hektischen Walk of Fame zu schätzen weiß, zum Sonnenauf- oder -untergang das Lichtermeer genießen möchte, eine Schwäche für die Wüste hat und sich am Blick ins San-Fernando-Tal nicht sattsehen kann. Oder einen der State Parks entlang der legendären 21 Meilen besuchen und dort wandern oder laufen gehen möchte, wo das auch manches Starlet tut – mit Baseballcap und großer Sonnenbrille.

Mutig gegen den Strom

Zu den Mythen um den Mulholland Drive gehört auch, wie wahnsinnig gefährlich die Strecke sei. Was für James Dean gegolten haben mag, der hier nächtliche Rennen gefahren sein soll, oder auch für manche Verbrechensopfer, die immer wieder in den Canyons auf beiden Seiten gefunden wurden und zum tragischen Teil der Legendenbildung beigetragen haben. Der gelernte Österreicher dagegen, der sich mit seinem Mietwagen auf den Weg macht, braucht sich aber weder vor den Kurven noch vor der „Enge“ zu fürchten – und kann es vielleicht auch wagen, sich von der „falschen“ Seite aus auf den Weg zu machen, also von West nach Ost statt umgekehrt. Die meisten Reiseführer raten zur Gegenrichtung, aber nur, weil die Mehrheit der Aussichtspunkte bei der West-Ost-Befahrung auf der linken Seite liegt und das Abbiegen über die Gegenfahrbahn nötig macht.

Ein guter Tipp, um das Navi zu füttern, ist die Adresse der American Jewish University, 15600 Mulholland Drive, und, dort dem Straßenverlauf zu folgen. Hier dauert es ein wenig, bis man zum Promi-Teil kommt, was aber seinen Reiz hat. Die staubige Straße zieht sich um Kurven, Schilder warnen vor Wildwechsel, und erste Parkplätze gewähren ruhige, touristenfreie Ausblicke in die Wüstenbergwelt. Und Einblicke: Die wenig glamourösen Vorkommnisse mögen die Ordnungshüter veranlasst haben, an jedem noch so kleinen Stopp Schilder aufzustellen, die eine Fülle an Verboten aussprechen. So sind am Mulholland Scenic Overlook jegliches Parken zwischen neun Uhr abends und sechs Uhr in der Früh, das Konsumieren alkoholischer Getränke, jede „unautorisierte Nutzung von Fahrzeugen“ und das Rauchen streng untersagt. An anderen Stopps, die als Trailheads für Wanderungen in die Santa Monica Mountains dienen, weisen die Schilder darauf hin, dass hier neben Touristen und Celebritys auch Tiere wie Klapperschlangen vermehrt vorkommen und weder Handfeuerwaffen noch Pfeil und Bogen mitgeführt werden dürfen. Gut zu wissen.

Wer in etwas gediegener Gesellschaft und/oder mit Hund wandern gehen möchte, kann das wenige Meilen später im Runyon Canyon tun. Dieser 65 Hektar große autofreie Park lädt Mensch und Tier zum Wandern und Workout ein, hier sorgen Wasserschüsserln entlang des Weges für Wohlbefinden des Vierbeiners und täglich mehrmals stattfindende Gratisyogasessions (Spende erbeten) für das der menschlichen Begleiter. Zu jenen gehören ob der nahen Wohngebiete Hollywoods und der Hollywood Hills auch regelmäßig aus Film und TV Bekannte, die dort bewundernde Blicke der anderen Besucher und Ausblicke über Downtown L.A., den Pazifik, den Hollywood-Schriftzug und das Griffith Observatorium genießen können.

Weiter ostwärts verdichten sich nach dem Verlassen des Canyons am Mullholland Drive die Anzeichen für wirklich teure Adressen. Denn während bisher Schilder mit ganzen fünfstelligen Zahlen darauf hingewiesen haben, zu welchen Nummern die Auffahrten rechts und links führen, finden sich hier jetzt Anwesen, deren Adresse Mulholland Drive 13474 ¼ lautet, denn teuren Grund scheint man sich auch in Hollywood hin und wieder teilen zu müssen. Hier nimmt die Dichte der entgegenkommenden Touristenkutschen mit groß aufgemalten Celebrity-Versprechen zu, die uns glücklicherweise egal sein können. Zumindest so lang, bis wir auch am bekanntesten aller Aussichtspunkte, Hollywood Bowl, einen Parkplatz ergattern wollen. Irgendwann fährt dann aber doch jemand weg, und so kann der Mietwagen geparkt, die Aussicht bestaunt werden. Endlich ist auf dem oberhalb des Parkplatzes gelegenen Overlook auch das berühmte Hollywood-Sign zu erspähen. Das Ende der legendären Meilen kommt irgendwie schneller als erwartet und speist einen schnell wieder in den berühmt-berüchtigten Verkehr von L.A. ein – der deutlich gefährlicher aussieht als die paar Kehren des Mulholland Drive. Zumindest für den gelernten Österreicher.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2018)

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