Amanshausers Welt: 236 Martinique

La Trinité ist ein netter, interessanter Ort. Versuch einer Ehrenrettung in der französischen Karibik.

TIPP

Mein Plan war, mit einer positiven Geschichte den Ruf von Trinité wiederherzustellen. Es hatte mich geärgert, dass die nette, leicht verwahrloste Küstenstadt La Trinité im „Guide du Routard“ als unerheblicher Ort mit mangelnden Parkmöglichkeiten abgetan wird – und der „Lonely Planet“ sie nicht einmal erwähnt.

Natürlich wollte ich nicht einfach behaupten, wie nett die China-Shops (ich brauchte Papier), wie kundenfreundlich die Apotheken (ich hatte Halsweh), und wie sauber die Laverie war (ich musste waschen), sondern ich suchte nach einer Geschichte. Zunächst parkte ich meinen Mietwagen blendend, direkt an der Markthalle. Der Markt gab keine Geschichte her, er war fast leer. Ein paar öde Ständchen boten das notorische Vanille- und Ti-Punch-Zeug für die Karibikurlauber an, und einen Häuptelsalat für zwei Euro, den ich kaufte.

Die Chefin der Laverie half mir mit den Münzen aus und versprach auf allerfreundlichste Art, dass sie meine Wäsche von der Maschine in den Trockner umschlichten würde, ich solle in einer Stunde zurück-
kommen. Was für eine großartige Stadt! Geschichte war das aber auch noch keine.

An der Waterfront machte sich ein Mann an einer jener automatischen öffentlichen Münztoiletten zu schaffen, die ich nie verwende, aus Angst, in ihnen eingesperrt zu werden. Ich wurde Zeuge einer Wartung. Die Eingeweide der Toilette, kompliziert verdrahtet und gar nicht dazu angetan, meine Meinung zur Sicherheit des Produkts Münztoilette zu heben, standen offen. Auch mein Mund stand offen – diese Klos sahen aus wie die kinetischen Kunstmaschinen von Jean Tinguely! Als ich bemerkte, dass mich die Umstehenden stirnrunzelnd musterten, ging ich weiter. Ich hatte das Gefühl, die positive Trinité-Geschichte wollte sich vollständig vor mir zurückziehen. In einem Café namens „Ti-Bart“ bestellte ich einen bitteren Milchkaffee.

Nach einer Stunde kehrte ich zur Laverie zurück. Meine Wäsche war sauber, aber noch nass. Die Chefin entschuldigte sich, sie hatte anderes zu tun gehabt. Ich seufzte, lud das Zeug in den Trockner. 20 Minuten. Ich nützte die Zeit, um den Friedhof zu besichtigen. Er hatte diese karibische Badezimmerästhetik. Die Gräber ähnelten Seziertischen.

Zurück in der Laverie, zeigte die Digitalzahl 19 Minuten. Der Sohn der Chefin kam tanzend in den Shop, umarmte und küsste spielerisch seine Mutter, die so viel Zuwendung lächelnd, aber eher widerstrebend entgegennahm. Ein solcher Erwachsener müsste man geworden sein!

Ich starrte hin, wie meine vertraute Wäsche rund nach oben gezogen wurde, ehe Schwerkraft und Trommel sie nach unten zwangen. Die Maschine lief und lief, 20, 22, 25 . . .  28, am Ende gar 30 Minuten. Ehe sich das ganze zu der Trinité-Geschichte zu entwickeln begann, in der meine Wäsche verbrannte, drückte ich den Stoppknopf und nahm die staubtrocken knisternde Wäsche an mich. Ich kann nur Gutes über Trinité sagen!




Martin Amanshauser, "Logbuch Welt", 52 Reiseziele, www.amanshauser.at

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