Der mit brasilianischen Bienen plaudert

  • Drucken

Der Wiener Michael Hrncir forscht an einer Universität im Bundesstaat São Paolo an Insekten.

Als Biologiestudent steht einem die weite Welt offen, wenn man zur Diplomarbeit ins Ausland will. Den Wiener Michael Hrncir, der sich – bis er 18 war – noch ein Zimmer in Hernals mit seinem Bruder geteilt hatte, zog es sehr weit weg. „Zuerst wollte ich Neuseeland-Kiwis erforschen. Also die Vögel, nicht die Früchte“, sagt Hrncir. Als daraus aber nichts wurde, tat sich eine andere Diplomandenstelle auf: Forschungen in Brasilien.

„Das war 1995“, rechnet Hrncir nach. Gemeinsam mit dem Salzburger Stefan Jarau flog er ins unbekannte, weite Land – immerhin das fünftgrößte der Erde. Als Forschungsgebiet in Ribeirão Preto im Bundesstaat São Paulo dienten die stachellosen Bienen. Genauer: die Art und Weise, wie diese staatenbildenden Insekten untereinander kommunizieren.

Nach sechs Monaten fiel der Abschied von Brasilien schwer. „Auch das Forschungsgebiet entwickelte sich rasant. Durch unsere Diplomarbeiten kamen wir auf immer neue Fragen“, erzählt Hrncir. Nach dem Zivildienst in Wien und der Wartezeit, bis ein Forschungsantrag genehmigt wurde, ging im Jahr 2000 das Abenteuer weiter: selbe Stadt, selber Uni-Campus (der bis in die 40er-Jahre eine Kaffeeplantage war), aber eine neue Wohnung. In der Drei-Zimmer-WG wohnte Hrncir mit bis zu sechs Freunden aus Kolumbien, Brasilien, Spanien, Deutschland und Österreich zusammen. Eine Matratze am Boden – und geht schon!

„Dieselbe Matratze habe ich heute noch in meiner Wohnung hier in Ribeirão Preto“, schmunzelt Hrncir. „Und obwohl ich oft hörte ,Du wirst auch noch einen anständigen Beruf finden‘, wusste ich bald, dass Bienenforscher das Richtige für mich ist.“

Es folgten immer mehr Forschungsaufenthalte in Ribeirão Preto, wo er sich – vor allem wegen der tropischen Temperaturen – wohler fühlte als in Wien. „Bei kaltem Wetter und Wind kommt mein Wiener Grant ein bissl raus“, sagt Hrncir. Von den Tropen hat er inzwischen reichlich gesehen auf seinen Reisen ins Amazonas-Gebiet, nach Nicaragua, Peru und Costa Rica.

Vielleicht bald Professor? Inzwischen kommt das Forschungsgeld von brasilianischer Seite, um das eigene Forschungslabor an der dortigen Uni mit Computer-Equipment und allerhand Hightech-Messinstrumenten einzurichten: „Ich bin jetzt in der Halbzeit des Projekts und bewerbe mich bereits für Professuren in Brasilien.“ Statt einer Habilitation ist in dem 190-Millionen-Einwohner-Land ein strenger Aufnahmetest notwendig.

„An meiner Stammuni bin ich leider nur Zweiter geworden“, grämt sich Hrncir. Doch das fröhliche Umfeld seiner Freunde vor Ort, seine Liebe zu Camila, dazu die Churrascos (Grillfeste), Cafezinhos (Kaffeetscherl) und Cervejinhas (Bierchen) zur richtigen Zeit haben Hrncir wieder aufgemuntert.

„Heuer habe ich sogar mit meiner Freundin den Carnaval in ihrer Heimatstadt gefeiert. Früher konnte ich die ganze Carnaval-Woche voller Samba-Musik und geschlossener Geschäfte und Restaurants nicht ausstehen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.