Elegantes Zitat, urbaner Wohnraum

Betonskelettbau von 1978, frisch generalsaniert und umgebaut: Das Fifty Five nimmt formale Anleihen an der früheren Fassade und zeigt sich drinnen großzügig.
Betonskelettbau von 1978, frisch generalsaniert und umgebaut: Das Fifty Five nimmt formale Anleihen an der früheren Fassade und zeigt sich drinnen großzügig.Gregor Titze
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Es war ein schnödes Bürohaus und mutierte zum schicken Wohnhaus: Die meisten Wohnungen im Fifty Five am Rochusmarkt in Wien Landstraße sind bereits vermietet.

Irgendetwas ist anders. Nein, ganz anders, beim näheren Betrachten. Diese elegante dunkle Fassadengliederung war vorher nicht da, sondern kupferbraune Aluminiumpaneele und tief hinter die Pfeiler versetzte Fenster, ein starkes Relief. So hoch und markant wie jetzt war das Gebäude auch nicht. Und doch dockt das generalsanierte und umgebaute Gebäude an der Stirnseite des Rochusmarkts formal an jener Zeit an, in der es ursprünglich errichtet worden ist: „Als eine Reminiszenz an die 1970er-Jahre in einer neuen Sprachlichkeit“, befindet Architekt Martin Mittermair über das neue Wohnhaus Fifty Five, das von einem vom AMS gemieteten Bürohaus in ein Wohnhaus für ästhetisch anspruchsvolle urbane Mieter mutiert ist.

Neue Balkone, mehr Etagen

Mittermair befreite die Fassade eben von den Paneelen – und rückte mit den Fenstern weiter zwischen die Pfeiler vor, die das Gebäude „wie ein Obstkorb“ tragen. Das war energietechnisch naheliegend und bot einen Raumzugewinn für die Wohnungen dahinter – indem es Nischen beziehungsweise alkovenartige Fenstersituationen entstehen ließ.Die dreikantigen Fassadenprofile des nunmehr schwarz-monolithischen Baus halten den Rhythmus aufrecht: „Es war wichtig, die Melodie des Hauses zu erhalten“, so der Architekt, der den rohen Bau in einem sehr guten Zustand vorfand. Stockwerke wurden draufgesetzt, Terrassen in die Dachgeschoße eingeschnitten, Balkone an die Hinterseite des Gebäudes drangestellt. Oben findet der Bau einen formalen Abschluss mit Lamellen.

Großzügig empfängt das Erdgeschoß den neuen Mieter, der hier in einer coolen Lobby steht, vor marmorverkleideten Platten (Verde Alpi). „Das Vorbild war ein amerikanisches Apartmenthaus“, schildert Thomas Belina von Amisola das Projekt im Hinblick auf eine Zielgruppe: jung (geblieben), jeden Alters, mobil (mit Fahrrad), urban, mit Sinn für die hochwertige Ausstattung und die Architektur, die im Fifty Five geboten wird. Mieter, die sich etwas leisten wollen, aber in Anbetracht der Wohnungsgrößen nicht sehr viel dafür auslegen müssen: Die kleinsten Einheiten unter den 53 bis zu 111 Quadratmeter großen Wohnungen beginnen ab 36 Quadratmetern. Sehen aber nicht so aus. Die Grundrisse reagieren darauf, dass rund 50 Prozent der Haushalte in Wien bereits von Singles bewohnt werden: fließend in den Übergängen, luftig durch Glaswände beziehungsweise Einsätze, manchmal auch zum Badezimmer hin, zumal das Interieurkonzept ja lange Vorhänge nahelegt.

Feine Details

In den Wohnungen wurde hochwertiger Holzboden verlegt, der die Siebziger in einem größeren Format zitiert, Travertin liegt in den Bädern, Terrazzo hält sich draußen. Einige Finessen zeigen sich im Detail: Lichtbänder sind in die Decken eingelassen, Spots in die Nischen bei den Fenstern. Die Nischen selbst lassen sich für Sitzbänke nutzen. Und in den Schrägen des Dachgeschoßes verstecken sich Fenster hinter einem kleinen weißen Laden, damit man nicht die Türen zu den Terrassen (die existieren bei den großen Wohnungen im Plural) aufreißen muss, um einmal querzulüften.

Ungeachtet der kleineren bis mittelgroßen Wohnungen entfallen mehr Quadratmeter auf die allgemeinen Flächen, als es in einem neuen Gebäude vermutlich tun würde. Im Erdgeschoß wurde ein sehr großer Fahrradraum eingerichtet, zu den man automatisch Zutritt hat, ohne nach dem Schlüssel zu kramen. Zudem gibt es einen Raum mit Schließfächern, die man mieten kann – damit die Lieferanten nicht an der Wohnungstür klingeln, sondern ihre Sendung im Fach deponieren. Zusätzlich befinden sich auch in den Stockwerken Abstellräume. Von Vorteil war, dass bereits eine große Tiefgarage existiert hat, so verfügt Fifty Five über 58 Stellplätze (inklusive zehn für Elektroautos), auf drei Etagen verteilt. Und damit sich der Bewohner merken kann, wo sich sein Fahrzeug verliert, gibt es hier auch ein originelles Leitsystem, eine Figur auf hellblauem Anstrich. Unter einem der elegantesten Refurbishments von Wien liegt wohl auch eine der originellsten Garagen.

ZUM PROJEKT

Fifty Five am Rochusmarkt: Umnutzung eines Büro- in ein Wohnhaus, 53 hochwertige Mietwohnungen ab 34 Quadratmeter. Ein Projekt von Amisola. Archi- tektur: Mittermair Architekten sowie BEHF (Interior Design), www.fiftyfive.at Weitere Bilder auch auf Immobilien.DiePresse.com

(Print-Ausgabe, 20.08.2016)

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