Herbstzeitlose

Materialien aus der Natur, persönliche Statements mit Einzelstücken, Patina aus Überzeugung: So richtet man sich für die kommenden Monate ein.

Die Tage werden kürzer, unaufhaltsam. Die Temperaturen in den Morgenstunden sinken, unaufhörlich. Die lauen Abende im Freien existieren bloß noch in der Erinnerung, unwiederbringlich. Wäh. Der Sommer hat sich verabschiedet. Daran gibt es nichts zu rütteln. Sich seufzend in Resignation zu üben, ist der eine Zugang. Der andere: geschäftige Tätigkeit in Sachen Nestbau. Das Zuhause will fit für die Wintermonate gemacht werden, das heißt, ein Mehr an Behaglichkeit, an Gemütlichkeit, an Lichtspielen, an Kuschelzonen zieht ein. „Wir vollziehen in unseren Wohnungen eigentlich das, was in der Natur passiert“, sagt Interior-Planerin Eugenie Arlt und meint den Wechsel von strahlenden Farben hin zu gedeckteren Tönen oder die Schale mit herbstlichem Obst, die statt des Sommerblumenstraußes auf dem Tisch Platz findet.

Nordlicht. Filz, Wolle, Leder, Eiche, für diesen Rückzug bieten sich Materialien an, die die Natur uns liefert. Oberflächen wollen durchaus gestreichelt werden, etwa, wenn Schränke sich in Filz kleiden. Ergänzende metallische Akzente müssen nicht notwendigerweise kühl sein, in den Farben Kupfer, Messing und Bronze hinterlassen sie einen warmen Eindruck, wie Sabrina Stückler, hierzulande Inhaberin des dänischen Labels BoConcept, über die aktuelle Linie „Scandinavian Design“ erzählt. Wer sich in den Wintermonaten weniger nach nordischer Schlichtheit als vielmehr nach ein wenig Opulenz sehnt, kann sich am Stilvorbild klassischer amerikanischer Hotellobbys orientieren: Großzügige Sofas, in dunkleren Farben und mit samtenen Bezügen sorgen bei der Linie „Metropolitan Moods“ für Behaglichkeit. Die Farbpalette aller Bereiche wird eben von der Natur bestimmt, Grundfarbe ist oft Grau in allen Abstufungen, sagt Stückler, „es ist aber durchaus erlaubt, sämtliche Materialien und Farben zu mischen“.
So sehr eine zeitlose Farbwahl den Ton bei der Grundausstattung angibt, so frech und frei darf man bei der Wahl der Accessoires agieren. Rot, Blau, Grün – auch das ist laut Eugenie Arlt verstärkt zu finden. Vom Kissen bis zum Beistelltisch kann man dabei beispielsweise bei Vitra aus dem Vollen schöpfen, „das ergibt durchaus spannende Farbstellungen“, bestätigt Innenarchitekt Stefan Grünbeck. Nicole Krajewski von Lederleitner Home fügt die ganze Palette von Beerentönen hinzu.
Akzente gilt es aber nicht nur mit Farben zu setzen: „Wechselnde Kunstdrucke an den Wänden beispielsweise verändern den Charakter eines Raumes deutlich“, rät Arlt. Blicke auf sich zieht auch ein knalliges Möbelstück, wie es etwa der italienische Polstermöbelhersteller Verzelloni mit einem blauen Samtfauteuil vorexerziert. Grafische Hingucker sind Boden- und Wandverfliesungen im Art-déco-Stil.

Feuerschein. Das Feuer hatte schon seit jeher seinen besonderen Reiz und will speziell in den Herbst- und Wintermonaten entsprechend kultiviert werden. Indoorfackeln holen nebst Ethanolfeuerstellen eine besondere Lichtatmosphäre in den Raum. Die darf in dieser Saison sogar ein wenig ins Düstere gehen, erzählt Krajewski von ihren Eindrücken unlängst auf der Pariser Messe, mit einem verstärkten Einsatz von Kerzenleuchtern, barocken Formen und dunklen Farben. Wohnaccessoires wie Vasen und Keramik punkten aktuell umso mehr, je weniger stromlinienförmig sie sind, je deutlicher die Wirkung des Handgemachten und Einzigartigen zutage tritt. Auch Gegenstände können Persönlichkeit haben, mehr denn je.
„Gefragt ist eine Mischung aus Designermodellen und Vintagestücken“, sagt Arlt. Patina ist höchst willkommen und gibt dem Gesamtkonzept die Anmutung des natürlich Gewachsenen. Statt leichtem Sommerleinen halten Stoffe mit mehr Körper und Volumen Einzug in die eigenen vier Wände, „sie verstärken das Bild einer Schutzhülle, die man sich für die kälteren Monate schafft“, so die Interior-Expertin.
Das persönliche Refugium lebt auch davon, dass sich Räume je nach Wunsch großzügig öffnen oder in flexible Intimzonen unterteilen lassen. Stefan Grünbeck verweist dazu auf die Schiebetüren der Marke Rimadesio, die sich in immer neuen Farben und Materialien präsentieren. Bronze- und Kupfertöne haben in diesem Bereich ebenso Eingang gefunden und machen in schimmernden Nuancen von sich reden, zwischen Glasscheiben eingegliederte Metallnetze sorgen für besondere Effekte und auch Blickschutz im gewünschten Sinn.

Metallglanz. Den „Platner Lounge Chair“ – entworfen von Warren Platner im Jahr 1966 – gibt es im Hause Walter Knoll in einer Neuauflage in Goldausführung, „das liegt ebenfalls perfekt im Metallic-Trend“, sagt Arlt. Bei den Sitzmöbeln sind Details hochwertig gearbeitet, sie punkten zudem mit Goodies wie stufenloser Verstellbarkeit oder verdeckten Fächern. Für zusätzliche Bequemlichkeit während kurzer Tag­träume und langer Leseabende sorgen bei Sofas Ablageboards in Glas oder in Leder. Walter Knoll lässt mit tiefen Sitzflächen und opulenten Polstern großzügige Sofalandschaften entstehen, die durch Ablageflächen aus griffigem Sattelleder ergänzt werden, beispielsweise beim von Eoos designten Modell „Yuuto“.
Grünbeck kann eine deutliche Rückbesinnung auf die Wertschätzung des Handwerklichen ausmachen – aufwendige Nahttechniken bei Sofas und Marmoreinlegearbeiten bei Couchtischen zeugen bei­­spiels­weise davon, das Augenmerk liegt auf Details wie Armabschlüssen und Einfassungen. „Man begibt sich hier wirklich auf die Suche nach dem Besonderen“, so der Experte.
Im Raumkonzept ist das Schaffen von Sitzinseln ein Thema. Umgesetzt wird es mit kleineren Stühlen. Die können auch gut und gerne einmal ein Sofa ergänzen. „Ein Sofa fördert ja grundsätzlich die Kommunikation miteinander nicht besonders, da man oft ohne richtige Blickbeziehung nebeneinander sitzt“, konstatiert Krajewski. Die Lösung, eine Couch mit einigen Stühlen oder Fauteuils zu ergänzen, mache daher Sinn und finde auch hierzulande nun verstärkt Anklang. Samtkissen und Schaffelldecken in verschiedenen zarten Pastelltönen kom­plettieren die herbstliche Sofalandschaft. Bleibt nur noch die Frage, womit man sich in den eigenen Wänden während der Mußestunden am liebsten beschäftigt. „Am Lesestuhl führt kein Weg vorbei“, konstatiert Sabrina Stückler.

Lesestunde. Die Vielfalt ist groß, man hat die Qual der Wahl. Soll es etwa ein Designklassiker wie der (Grand) „Repos“ von Vitra sein? Die Auswahl ist in jedem Fall groß. Also sollte die Suche und die Entscheidung für das optimale Modell, Komfortzone für inspirierende Abenteuer im Kopf, überaus rational erfolgen.
Stückler gibt einen Einblick in den langen Fragenkatalog, hier ein kurzer Auszug: Wer wird den Stuhl nützen? Wie viel an Raum darf der Lesestuhl einnehmen? Befindet sich Strom in der Nähe? Auf welchen Materialien nimmt man gern Platz? Sind Antworten und Modell erfolgreich gefunden, kann man sich entspannt zurücklehnen. Und lesen.
Oder in einem der neuen Lifestyle-Malbücher Entwürfe berühmter Designer anfärbeln und im Punkt-zu-Punkt-Buch Linien zu bedeutenden Werken der Architektur vervollständigen. Denn das liegt voll im Trend, um sich in den Mußestunden daheim so richtig zu entspannen.  s

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