Tageslicht: Damit man nicht im Finstern sitzt

(c) AP (Matthias Schrader)
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Beim Hausbau soll man lieber zu viel als zu wenig Sonne einplanen.

So, und jetzt machen wir uns einen Sommertag mit 30 Grad“, sagt Gregor Radinger und fährt die Sonne hoch. Am Himmel brennen 230 Lampen, es ist heiß und hell. Wie in einem spacigen Musikvideo. Wäre da nicht das Hausmodell, das er umkreist, in dessen Fenster er guckt und dessen Schatten er kommentiert.

Der Professor der Donau-Uni Krems brennt nicht nur im Lichtlabor für das Thema. Er leitet den Lehrgang Tageslichtarchitektur und möchte wieder ein wenig mehr Helligkeit in die Architektur bringen. Denn in den vergangenen Jahren, sagt er, wurde der Scheinwerfer eher auf den Energiestandard gerichtet – das Tageslicht ging dabei ein wenig unter. In manchen Passivhäusern werde viel Energie gespart. Allein, drinnen sei es finster. Das soll sich ändern, sagt er – und lädt Häuslbauer und Architekten zur „Probebeleuchtung“ ins Labor ein.

Es gibt keine Überdosis

90 Prozent unserer Lebenszeit verbringen wir in geschlossenen Räumen. Ein Mangel an Licht kann zu Vitamin-D-Mangel, Schlafstörungen oder Depression führen. „Wo kein Licht hinkommt, muss der Arzt hin“, meint Architekt Georg W. Reinberg vom gleichnamigen Büro. Daher gilt: lieber zu viel Tageslicht als zu wenig, ist Renate Hammer, Forschungsleiterin für Bauen und Wohnen der Donau-Uni Krems, überzeugt. Eine Überdosis Sonne brauche man nicht zu befürchten, im Winter sei sowieso wenig da und im Sommer kann man das Licht ja mit entsprechender Verdunkelung wegsperren. Hammer: „Denken Sie an das Mittelmeer. Dort sind zu Mittag die Rollläden zu.“ Künftig werde man sich auch bei uns mehr Gedanken über intelligente Beschattung machen müssen, sagt sie. „Wir werden mehr Jalousien einsetzen, die beispielsweise zu Mittag, wenn man in der Arbeit ist, automatisch runterfahren. Und wieder hoch, wenn man heimkommt.“ Durch entsprechende Adaptierungen kann man in Summe dann sogar viermal so viel Tageslicht in ein Gebäude holen, wie in der Bauordnung vorgeschrieben. Der Donau-Uni ist dies mit Fensterbauer Velux und dem Architektenteam von Hein-Troy mit dem sogenannten Sunlighthouse in Pressbaum gelungen („Die Presse“ berichtete): 42 Prozent Fensterfläche (vorgeschrieben sind zehn) ergeben dort – obwohl Nordhang – einen Tageslichtquotienten von fünf Prozent (vorgeschrieben sind 0,9). Insbesondere hoch positionierte Dachflächenfenster, sogenannte Skylights, ziehen das Licht tief in den Raum und erhellen den ganzen Baukörper.

Auch der Norden ist gut

Doch bevor man sich den Details widmen kann, muss man erstmal die Basics checken. Erstens den Standort und die Lage ganz genau anschauen. Zweitens den Baumbestand und die Dimension der umliegenden Nachbarhäuser. Und drittens die Himmelsrichtungen.

Konkret bietet sich der Osten für das Schlafzimmer an, der Südosten mit seiner Vormittags- und Mittagssonne ist geeignet für Aufenthaltsräume, beim Westen und Südwesten hingegen muss man sich eine Beschattung überlegen. Und das Stiefkind Norden? Ja, das ist ein Problem, sagt Reinberg. „Es gibt Studien, die zeigen, dass Leute in einer Nordwohnungen mehr Depressionen haben.“

Man soll jedoch die Himmelsrichtung nicht gleich verdammen, erklärt Dietmar Spath vom Büro Arquitectos. Sie habe nämlich durchaus auch ihre Qualität: „Eine Wand im Nordosten zum Beispiel kann man großflächig öffnen und für einen Arbeitsraum nutzen. Das Licht fällt gleichmäßig, blendet nicht, außerdem ist die Morgen- und Abendstimmung schön“, sagt er.

Nicht immer jedoch kann man die Fenster dort platzieren, wo das Licht optimal ist. Manchmal steht schon ein Haus da, das kein Sonnenanbeter ist. Aber selbst da gibt es Lösungen, um das Innere zu erleuchten. Spath etwa hat ein Haus zur Sonne „gedreht“. Er hat es durch einen Zubau von Nordosten nach Südwesten komplett umorientiert und die alten Räume verglast. „Jetzt haben die Bewohner einen tollen Ausblick und fließende Übergänge von außen nach innen“, sagt er. Das Licht fällt nicht nur seitlich, sondern auch vom Dach ins Gebäude hinein.

Übrigens, von oben kommend ist es besonders intensiv, denn je höher der Sonnenstand, umso heller ist das Licht. Und wer weiß? Vielleicht werden die Strahlen künftig nicht nur hell, sondern auch gesund sein. Die Donau-Uni jedenfalls tüftelt gerade an einem Glas, das auch UV-Strahlen durch die Scheibe lässt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2010)

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