Mark Mobius: "Junge geben eben gern Geld aus"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Schwellenländer-Guru Mark Mobius erklärt, warum Raiffeisen sich nicht aus Russland zurückziehen sollte - und warum Brasiliens Konsumenten das Land aus der Krise führen werden.

Die Presse: Herr Mobius, Sie gelten als Schwellenländerexperte. Von chinesischen Aktien hieß es lang, sie hätten Nachholbedarf. In den vergangenen Monaten haben sie aber sehr stark aufgeholt. Wie lang geht das noch so weiter?

Mark Mobius: Solange die Regierung ihr Interesse an einem funktionierenden Aktienmarkt bekräftigt, dürften Anleger weiterhin einsteigen. Für sie ist es quasi ein Signal, dass der Staat im Notfall ohnedies unterstützend eingreifen würde. Problematisch wird es erst dann, wenn die Regierung einmal auf die Bremse steigt. Dann könnte es auch eine heftige Korrektur geben.

Was kann man in China derzeit noch kaufen?

Interessant sind etwa Bankwerte sowie Öl- und Gastitel. Denn der Ölpreis dürfte sich allmählich erholen.

Von einer Erholung des Ölpreises müsste doch auch Russland profitieren.

Auch in Russland würden wir gern im Energiesektor investieren, das ist derzeit allerdings aufgrund der Sanktionen nicht möglich. Dafür schauen wir uns beispielsweise Norilsk Nickel sowie einige Einzelhändler näher an. Während meiner jüngsten Russland-Reise habe ich auch einige Shoppingcenter besucht, und diese sind alle gut besucht. Die privaten Haushalte verfügen noch über eine Menge Geldreserven. Zudem kaufen einige Handelsketten auch noch kleine Betriebe auf und können dann aufgrund ihrer Größe die Preise für die Konsumenten senken.

Die Märkte aus Zentral- und Osteuropa sind hingegen in Ihren Fonds praktisch nicht repräsentiert. Gibt es dort aktuell keine interessanten Möglichkeiten?

Wir behalten derzeit die österreichischen Banken im Auge, etwa die Raiffeisen Bank International (RBI) sowie die Erste Group. Derzeit ist die Lage vor allem für die RBI schwierig. Dennoch würden wir es für einen großen Fehler halten, würde das Institut sich jetzt aus Russland zurückziehen, das wäre zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt. Die Sanktionen werden ja nicht für immer aufrechtbleiben, wenngleich sie noch einige Jahre andauern könnten. Allerdings braucht es im Ukraine-Konflikt klare Lösungen. Zudem gibt es noch reichlich Geschäftsmöglichkeiten in Russland, diese Chancen sollte man nicht verpassen. Wer also die Krise durchtaucht, wird von einem kräftigen Aufschwung profitieren.

Und wie schaut es mit Brasilien aus? Das Land hat ebenfalls stark unter dem Preisverfall der Rohstoffe gelitten; das hat auch die Wirtschaft hart getroffen.

Wir haben den Abverkauf durchgetaucht und viele Aktien behalten, auch jene der skandalgeprägten Petrobras. Zuletzt konnte der Konzern endlich die Jahresbilanz erstellen, das sorgte für eine Kurserholung. Zudem sind Konsumaktien aus Brasilien interessant, auch hier sind die Kurse gefallen, der Sektor wurde von der Wirtschaftskrise hart getroffen. Nun sind die Bewertungen interessant.

Warum sollten die Konsumausgaben in Brasilien ausgerechnet jetzt wieder ansteigen? Hat die Lage sich inzwischen verbessert?

Die Bevölkerung in Brasilien ist im Schnitt sehr jung, und diese Generation gibt eben gern Geld aus. Zudem dürften die Löhne wieder anziehen, etwa aufgrund steigender Rohstoffpreise. Dabei gibt es eine ganze Menge unterschiedlicher Ressourcen in Brasilien, etwa Öl, Eisenerz und Soja. Zudem hat der Staat die Ausgaben wieder erhöht. Früher versickerte allerdings sehr viel Geld in Infrastrukturprojekten. Inzwischen wächst der Reformdruck, das Geld wird in diesem Bereich wesentlich effizienter eingesetzt.

In Ihrem Templeton Asian Growth Fund, der mit mehr als elf Milliarden Dollar bei Weitem das größte Volumen umfasst, hat Thailand gleich nach China die zweitgrößte Gewichtung. Offenbar spielt das Land eine große Rolle in der Region.

Thailand hat zahlreiche günstig bewertete Unternehmen an der Börse. Die Aktien sind zwar schon stark gestiegen, allerdings erwirtschaften die Unternehmen weiterhin gute Gewinne. Unter anderem sind ausländische Investitionen hoch, vor allem von japanischen Automobilzulieferern. Auch die Landwirtschaft spielt eine große Rolle, und die Regierung unterstützt die Bauern. Weiters ist der Tourismus ein wichtiger Sektor, und es wird auch viel gebaut. Der Fonds ist deshalb in thailändische Bankaktien, Titel von Zement- und Immobilienunternehmen sowie Ölkonzerne investiert. Trotzdem überlegen wir, allmählich Positionen abzubauen. Schließlich wird das Land derzeit von einem Militärregime regiert, und der König, der eine wichtige stabilisierende Funktion hat, ist mittlerweile sehr krank.

Zuletzt galten die Frontier Markets (Märkte, die noch weniger als Schwellenländer entwickelt sind) als die nächsten Wachstumsstars. Inzwischen scheint die Euphorie abgeflaut, und die Aktienkurse aus den Regionen sind ein gutes Stück zurückgekommen.

Zuletzt waren tatsächlich vor allem Europas Börsen auf dem Anlegerradar. Die Frage ist, wie lang dieser Trend anhalten wird. Für ein Investment in die Frontier Markets gibt es gute Argumente, schon allein, weil die Märkte in den Regionen eine geringe Korrelation mit anderen Börsen aufweisen. Und das langfristige Wachstum ist auf Sicht der kommenden fünf bis zehn Jahre intakt. Die Kursrücksetzer Ende 2014 sind vor allem auf die Kämpfe mit der Boko Haram in Nigeria zurückzuführen. Das Land hat eine große Gewichtung im Index, aber auch in unserem Fonds. Jetzt, nach den Wahlen, gibt es dort aber einen neuen Regierungschef, und er kommt aus dem Militär. Das ist für uns ein bullishes Szenario, wobei wir in Nigeria vor allem in Bankaktien investiert sind.

Sie sind auch stark in Saudiarabien investiert. Was versprechen Sie sich davon?

Was für Saudiarabien spricht, ist, dass auch hier der erwartete Preisanstieg beim Rohöl dem Land zugutekommen wird. Zudem beginnt das Land allmählich, seine Wirtschaft zu diversifizieren. Das sehen wir auch als wichtige Stütze.

In den großen globalen Aktienindizes sind Schwellenländer noch eher untergewichtet. Am 9. Juni entscheidet das MSCI-Komitee über die Aufnahme der chinesischen A-Aktien in die MSCI-Indizes. Was bedeutet das Ihrer Einschätzung nach?

MSCI dürfte zumindest einen Teil der A-Aktien in einigen Indizes inkludieren. Im MSCI Emerging Markets etwa könnte der Anteil schrittweise sogar bis auf 20 Prozent angehoben werden. Interessant ist dabei auch, dass insgesamt die Schwellenländer allein im MSCI All Country World Index gut 15 Prozent ausmachen, die Marktkapitalisierung der Börsen in den Schwellenländern aber rund 30 Prozent beträgt. Damit sind die Regionen in den Indizes deutlich unterrepräsentiert. Allerdings reichen Liquidität und Streubesitz nicht immer aus.

Zur Person

Mark Mobius (78) ist Vorsitzender der Templeton Emerging Markets Group. Er arbeitet seit mehr als 40 Jahren in Asien und anderen Schwellenländern, hatte ein eigenes Beratungsunternehmen in Hongkong und war in den Achtzigerjahren für mehrere Wertpapierfirmen tätig. Bei Templeton begann seine Karriere 1987, seither verwaltet Mobius zahlreiche Emerging-Markets-Portfolios und steht Analysten der 18 Emerging-Markets-Büros von Franklin Templeton vor. In Österreich wurde er durch Erwin Wagenhofers Dokumentarfilm „Let's Make Money“ einem breiten Publikum bekannt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.