Prozessieren auf fremde Kosten

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Sie strecken Klägern gegen Erfolgsbeteiligung die Verfahrenskosten vor. Aber nur, wenn man gute Aussichten hat, den Rechtsstreit zu gewinnen.

Wien. Recht haben und recht bekommen ist bekanntlich zweierlei. Und oft liegt es nicht nur an der psychologischen Hemmschwelle, wenn jemand lieber auf einen Anspruch verzichtet, als vor Gericht darum zu streiten. Sondern eher am rechtlichen Risiko – und an der Sorge, dass einem die Prozesskosten über den Kopf wachsen könnten. Zumindest, wenn man für den betreffenden Fall nicht rechtsschutzversichert ist.

An diesem Punkt setzt das Geschäftsmodell der Prozessfinanzierer an: Sie stellen potenziellen Klägern in Aussicht, für sie in einem konkreten Streitfall die Kosten und das Prozessrisiko zu übernehmen. Und beanspruchen im Gegenzug einen Anteil am erstrittenen Wert, wenn der Prozess gewonnen wird.

Vor allem für Sammelklagen

Sehr geläufig ist das in Österreich noch nicht, es gibt hier auch nach wie vor nur sehr wenige Anbieter. Der erste heimische Prozessfinanzierer, AdvoFin, stieg zwar schon Ende 2001 in den Markt ein, konzentriert sich aber weitgehend auf ein bestimmtes Segment: Sammelklagen im Zusammenhang mit Anlegerschäden auf dem Kapitalmarkt wie die immer noch laufenden Verfahren von Amis bis Madoff. Dieser Bereich ist auch der einzige, in dem Prozessfinanzierung hierzulande bislang wirklich Fuß gefasst hat. Auch ausländische Anbieter mischen hier mit, so finanzierte die deutsche Foris die VKI-Sammelklagen gegen den AWD. Einzelkläger wenden sich dagegen nur selten an Prozessfinanzierer, was auch an den meist hoch angesetzten Streitwertgrenzen liegt. AdvoFin etwa übernimmt die Finanzierung von Einzelklagen erst ab einer Million Euro.

Mit Jahresbeginn ist nun aber ein neuer Prozessfinanzierer auf den Plan getreten: der Österreich-Ableger der deutschen Roland Prozessfinanz, die ihrerseits zur gleichnamigen Rechtsschutzversicherung mit Sitz in Köln gehört. Dieser neue Player setzt die Streitwertgrenze schon bei 100.000 Euro an. Solche Größenordnungen erreichen auch private Streitfälle recht oft. Geht es etwa in einem Scheidungs- oder Erbschaftsstreit auch um Wohnung oder Haus, liegt der Wert oft sogar deutlich darüber.

Roland will sich außerdem nicht nur auf Sammelklagen spezialisieren, sondern auch das Finanzierungsgeschäft für Einzelverfahren in Schwung bringen. Der Markt sei hierzulande noch nicht aufbereitet, sagt Österreich-Repräsentant Rudolf-Anton Preyer. Sogar etliche Rechtsanwälte gebe es, „die zwar schon von Prozessfinanzierung gehört, sich aber noch nicht näher damit beschäftigt haben“. Genug Potenzial sei jedenfalls da: Statistisch gesehen seien etwa 20Prozent der rund 500.000 in Österreich pro Jahr geführten Zivilverfahren vom Streitwert her dafür geeignet.

Hinsichtlich der Rechtsgebiete gibt es, anders als bei Rechtsschutzversicherungen, kaum Einschränkungen. Hauptsache, das, was erstritten werden soll, hat den nötigen Mindestwert und ist teilbar. Die Erfolgsquote für den Prozessfinanzierer wird vorher vereinbart. Bei Roland sind es üblicherweise 30 bis 40, bei AdvoFin 25 bis 45 Prozent.

Am Ende braucht man Bares

Womit auch schon klar wird, welchen wunden Punkt es gibt, wenn man sich bei einem Streit um Wohnung oder Haus einen Prozessfinanzierer an Bord holt: Gewinnt man, muss man über genug Bares verfügen, um dem Finanzierer seinen Anteil am Verkehrswert auszahlen zu können. Ist das der Fall, stellt sich die Frage, ob man mit diesem Geld nicht auch den Prozess hätte vorfinanzieren können. Hat man das nötige Kleingeld aber nicht, bleibt am Ende nichts anderes übrig, als die Immobilie für einen Kredit zu verpfänden oder sogar zu verkaufen und den Verkaufserlös zu teilen.

Das sei aber nicht die Norm, sagt Preyer. Meist werde ohnehin um Geld gestritten, das man am Ende leicht aufteilen kann. In Deutschland gehe es oft um Arbeitsrechtsstreitigkeiten, auch Insolvenzfälle seien häufig. Da ist es dann der Insolvenzverwalter, der mithilfe des Finanzierers für die Konkursmasse prozessiert, wenn die Gläubiger die Prozesskosten nicht vorstrecken wollen.

Dass ein Prozessfinanzierer einem ein hohes rechtliches Risiko abnimmt, darf man sich nicht erwarten: Finanziert werden nur Fälle mit guten Erfolgsaussichten. Das wird vorher geprüft, und ebenso die Bonität des Prozessgegners. Was man an den Finanzierer auslagern kann, ist also letztlich nur das Restrisiko, das in jedem Verfahren bleibt.

Außerdem erspart man sich das Vorfinanzieren der Kosten, etwa für den Anwalt oder für Gutachten. Dementsprechend sind es oft David-gegen-Goliath-Konstellationen, in denen Prozessfinanzierer eingeschaltet werden. Oder aber Fälle, bei denen die Kosten ausufern können. Etwa, wenn es um die Haftung für einen ärztlichen Kunstfehler geht und man für die Beweisführung teure Sachverständigengutachten braucht. Oder wenn ein kleiner Vertragshändler mit einem übermächtigen Lieferanten prozessiert.

Wenn ein Finanzierer mitmischt, kann das ein Verfahren auch abkürzen: Die Vergleichsbereitschaft des Prozessgegners steige dann oft, sagt Preyer. Eine Pflicht, es offenzulegen, gibt es aber nicht, und in vielen Fällen bleibt es geheim. Das Prozessieren an sich nimmt einem der Finanzierer nicht ab, er stellt auch keinen Anwalt. Darum muss man sich selbst kümmern – und zwar, so Preyer, am besten, bevor man an den Finanzierer herantritt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2014)


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