Feste feiern, feste arbeiten

Die Debatten um neue Feiertage von Wien bis Berlin werfen die Frage auf, ob ein gemeinsames Fest heute nicht schon so etwas wie ein Anachronismus ist.

Feiertage sind ja Brennpunkte unserer Kultur, irgendwie. Steht der Eiertanz um neue Feiertage daher für das Eiern unserer Kultur insgesamt? Ich denke da nicht nur an den Grund, mit dem die Arbeiterkammer den Tausch Karfreitag gegen Pfingstmontag ablehnt, nämlich die Nettoeinbuße an Arbeitsentfall. Oder an ähnliche, dem Praktischen verpflichtete Kalküle, etwa die Idee, Donnerstagfeiertage auf den darauffolgenden Sonntag zu verlegen, Feierdienstage für Herbstferien zu opfern oder bewegliche Feiertage, die auf einen Sonntag fallen, am Montag „nachzuholen“.

Es kommt noch so weit, dass die Sozialpartner einmal gemeinsam dafür eintreten werden, statt Maria Himmelfahrt im August ein zweites Weihnachten einzuführen, mit zweitem Stephanitag. Für die Arbeitnehmer gäbe es dann zwei freie Tage statt einem. Und die Wirtschaft hätte den in puncto Umsatzsteigerung eher unbedeutend gebliebenen Marienfeiertag durch ein Fest mit bewährten Kaufanreizen ersetzt.

Alles ökonomisch vernünftig, aber feierlich ist das nicht mehr. Ein aussagekräftiges Fallbeispiel ist auch die Genese des neuen gesetzlichen Feiertags des Bundeslandes Berlin am Internationalen Frauentag (8. März). Das entsprang nicht irgendwie dem Feierbedürfnis einer gleichstellungseuphorischen Bevölkerung, sondern kam so: Die nördlichen Bundesländer hatten plötzlich alle neue Feiertage eingeführt, durchwegs den Reformationstag. (Thüringen bevorzugte den Tag des Kindes – immerhin ist dort das Kinderkriegen so beliebt, dass die Bevölkerung etwas langsamer ausstirbt als im Bundesschnitt.) Da lebte auch in Berlin die Diskussion auf, und das mit Dringlichkeit. Hat man dort doch ohnehin weniger Feiertage als anderswo.

Also musste ein neuer Feiertag her, und man begann zu überlegen, was man denn feiern könnte. Den Reformationstag? Den Mauerfall? Die Befreiung vom Nationalsozialismus? Der Berliner Regierungschef brachte die bei den Bürgern wohl noch sehr präsente Märzrevolution 1848 ins Spiel. Die CDU meinte: Feiern wir doch jedes Jahr irgendwas anderes! Und die Wirtschaft sprach von einer Einbuße von 0,3 Prozent des BIP. So wurde es schließlich der Frauentag. Weniger wegen des Erreichten, sondern wegen der Mahnung des noch nicht Erreichten. Die Grünen erklärten deswegen, am Feiertag weniger zu feiern als zu kämpfen. Ein gesetzlicher Kampftag sozusagen. Mit Agenda statt Freibier.

Feiertage kamen einmal aus der Mitte der Gesellschaft und festigten sie. Die Feiertagsdebatten ringsum verstärken bei mir die Frage, ob wir diese Mitte denn überhaupt noch haben.

Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

meinung@diepresse.com

www.diepresse.com/cultureclash

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2019)

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