Ein Rückblick

Selten habe ich mich in Österreich so befremdet gefühlt wie in den Wochen nach den Sanktionen der EU-14. Ein Rückblick.

Es gibt Zeiten, da ist mir das Land, in dem ich seit über 20 Jahren lebe, vertrauter als jenes, in dem ich aufgewachsen bin. Es gibt aber auch Zeiten der Befremdung. Die Wochen nach den sogenannten EU-Sanktionen gegen Österreich waren eine solche Zeit.

Zunächst war da nur ein Eindruck der Unangemessenheit, der moralischen Überhitzung. Ich habe die Gefahr, die da nach der Bildung der schwarz-blauen Koalition von den EU-14 an die Wand gemalt wurde, einfach nicht als solche empfunden. Aber ich hatte auch längst eine Innensicht auf die hiesigen Verhältnisse angenommen, gestützt auf die Intuition, dass es der Partei des Anstoßes weniger darum ging, die Demokratie zu zerschlagen, als darum, endlich selbst an jene Tröge zu gelangen, von denen sie der rot-schwarze Proporz so lange ferngehalten hatte.

Ohne Risiko war ein solches Phlegma freilich nicht. Denn hatte Jörg Haider nicht mit SS-Veteranen gefeiert, die Beschäftigungspolitik der Nazis gelobt und Churchill mit Hitler gleichgesetzt? Hatte er nicht gedroht, man werde in den Redaktionen für Ordnung sorgen, wenn man erst an der Macht sei? Und war seine Partei nicht immer wieder durch vehemente Fremdenfeindlichkeit aufgefallen? All das war durch die internationalen Medien gegangen, fürviele meiner Landsleute war es das Erste, was ihnen zum politischen Österreich einfiel. Wo die Grenze zwischen Dampfplaudern und Dampfmachen verläuft, erkennt man oft nur aus der Nähe.


Die Sanktionen sind bekanntlich nach hinten losgegangen, sie waren nicht durchdacht und erwiesen sich bald als das größte Geschenk, das man der umstrittenen Regierung machen konnte. „So geht's eben, wenn man das Richtige tut, aber nicht richtig“, schrieb Werner A. Perger in der „Zeit“. Die Isolation nach außen schuf eine Welle des Trotzes im Inneren. Und hier liegt die Quelle für meine Befremdung. Es mag eine Zumutung sein, ausgerechnet von einem Land, das von allen an den Pranger gestellt wird, Größe zu erwarten. Aber in dem Klima, das damals herrschte, war eine offene, besonnene Diskussion darüber, wie man überhaupt in eine solche Lage geraten war, kaum noch möglich. Das offizielle Österreich war in seiner Lieblingsrolle, der des unschuldigen Opfers. Die Sanktionen waren plötzlich nur noch eine willkürliche Schikane der Großen gegen ein kleines und darum wehrloses Land.

Und dann die Krönung. Nach der Aufhebung der Sanktionen pilgerten einige Regierungsmitglieder nach Mariazell. Das Signal war klar: Dem Herrgott sei Dank war die unerklärliche Heimsuchung vorübergezogen, und zugleich war man durch den Segen des Höchsten von der Schändlichkeit jener Äußerungen gereinigt, ohne die es die Sanktionen nie gegeben hätte.

dietmar.krug@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2013)

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