Privilegiert?

Sind wir Deutschen auf dem österreichischen Arbeitsmarkt privilegiert? Teil1: Wie ich zum Journalismus kam und dabei etwas über die dunkle Seite der Wiener Seele erfuhr.

Michael Frank, Österreich-Korrespondent der „Süddeutschen Zeitung“, meinte in einem ORF-Beitrag über Deutsche in Österreich: „Wenn ein Wiener Wirtschaftsunternehmen einen Ingenieur sucht und es bewerben sich drei Österreicher, ein Anatolier, ein Serbe und ein Deutscher, dann können Sie darauf wetten, dass der Deutsche diesen Job kriegt. Man mag die Deutschen zwar nicht, aber sie sind fähig, gut ausgebildet, korrekt.“

Also was meinen eigenen Werdegang betrifft, bin ich nicht allzu oft Opfer dieses „positiven Rassismus“ geworden, wie Frank das nennt. Aber das mag daran liegen, dass ich zwar Deutscher bin, aber leider kein Ingenieur.

Meinen ersten Auftritt als Journalist etwa hatte ich bei einer Wiener Fachzeitschrift für Transport und Logistik. Beim Vorstellungsgespräch stellte mir der Chefredakteur keine einzige Frage nach Branchenkenntnis oder journalistischer Erfahrung. (Was ziemlich nett von ihm war, denn ich hatte weder das eine noch das andere.) Aber eines interessierte ihn doch: „Nun ja, Sie sind Deutscher.“ Kleine Pause – kurzes Nicken. „In der Transportbranche geht's nämlich recht bodenständig zu. Glauben Sie, dass Sie da ernst genommen werden?“


Ich bekam den Job, und ich verdanke ihm einiges, zum Beispiel meine erste Begegnung mit der Hingabe der Wiener Seele an alles, was mit dem Tod zu tun hat. Da die Zeitschrift sich ausschließlich aus Inseraten finanzierte, begleitete mich bei meinem ersten Interview sinnigerweise eine Anzeigenverkäuferin. Während der Autofahrt dorthin hatte sie nicht viel mit mir geredet, bis zu dem Zeitpunkt, als wir am Wiener Zentralfriedhof vorbeifuhren: „Da ist mein Mann begraben.“ Aus Verlegenheit fiel mir nichts Intelligenteres ein als: „Oh, ist er schon gestorben?“ Ein kurzer Seitenblick – und dann: „Na, der is net g'sturbn, der is elendig krepiert.“

Das nächste Interview führte ich telefonisch. Mein Gesprächspartner, der Inhaber einer Spedition, erwies sich, gelinde gesagt, als nicht sehr auskunftsfreudig. Nach ein paar einsilbigen und unfreundlichen Antworten war das Interview beendet. Ich informierte den Chefredakteur, und er meinte: dann eben nicht. Kurz darauf hatte er den Spediteur an der Leitung: Da habe gerade so ein Redakteur angerufen, für ein Interview. Also er sage es frei raus: Wenn er einen deutschen Akzent höre, dann kriege er einen Hals. „Schicken S' mir wen andern!“

Auch wenn diese Ausprägung eines nicht ganz so positiven Rassismus keineswegs typisch für die gesamte Zunft war: Ich wüsste doch gern, wie sich so mancher bodenständige Spediteur entscheiden würde, wenn er die Wahl hätte zwischen drei Österreichern, einem Anatolier, einem Serben und einem Deutschen.

dietmar.krug@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2010)

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