Trost bei Fekter

Warum ein Freund mich anfangs nicht recht sympathisch fand. Und wie ich am Ende bei Innenministerin Fekter Trost fand.

Ein Freund hat mir einmal beim Bier ein Geständnis gemacht: „Jemand, der so redet wie du, ist mir zunächst einmal unsympathisch.“ Er war der Sohn eines Hauptschuldirektors und Vizebürgermeisters einer Stadt, die für niederösterreichische Verhältnisse als Großstadt gelten darf. Auf seine bürgerliche Herkunft hatte er mit der Abwehrstrategie des „wilden Hunds“ reagiert, mit Dosenbier, Dialekt und Tischfußball, pardon: Wuzeln, in düsteren Vorstadtbeiseln. Meine Sprechweise hat ihn offenbar an sein bürgerliches Herkunftsmilieu erinnert.

Sein Urteil beruht auf einer Fehldeutung. Das Hochdeutsch, das die meisten Deutschen von zu Hause mitbringen, entspringt in der Regel nicht dem Wunsch, sich sozial nach unten abzugrenzen, sondern einem Pragmatismus der Verständigung, den man schon im eigenen Land benötigt hat. Würde ich hierorts den Dialekt verwenden, den mein Vater mit mir gesprochen hat, das rheinische „Platt“, dann verstünde man mich ebenso wenig wie in Bayern, Sachsen oder sonstwo jenseits des Rheins. Und sich irgendwo in einem Zwischenreich zwischen Dialekt und Hochsprache zu bewegen, wie es viele Österreicher tun, ist für einen Rheinländer fast nicht möglich. (Versuchen Sie mal aussprachtechnisch eine Mitte zu finden zwischen „Glatze“ und „Plät“ oder zwischen „meine Mutter“ und „min Mam“.)

Das Bekenntnis des Freundes hat mir bewusst gemacht, dass meine neu gewählten Mitmenschen nur zwei Möglichkeiten haben, wenn sie mit mir reden: Entweder sie bleiben bei sich selbst und reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, was Selbstbewusstsein, Trotz oder Vertrautheit erfordert. Oder sie beginnen, aus dem netten Wunsch, sich verständlich zu machen, etwas mehr „nach der Schrift“ zu reden, was schnell zu allerlei Befangenheiten führt – nicht zuletzt bei mir.

Eine Sorge bin ich hier aber losgeworden. Ein Rheinländer, der mit Dialekt aufgewachsen ist, kann nämlich, auch wenn er Hochdeutsch spricht, nicht zwischen „ch“ und „sch“ unterscheiden. „Tisch“ und „mich“, für uns klingt alles „gleisch“. In Österreich indes fällt das kaum jemandem auf. Zumal hier, was den ch-Laut anlangt, so ziemlich alles möglich ist. Innenministerin Fekter etwa hat sich unlängst darüber beschwert, dass Asylwerber unlauter asylwerben, indem sie nach einem Ablehnungsbescheid ausreisen, dann wieder einreisen und einen neuen Antrag stellen. Und das klang so: „Dann san sie do, dann san sie wegcha. Und dann san sie wieder do und wieder wegcha.“ Gar nicht so leicht, so etwas auszusprechen: wegcha. Es kratzt im Rachen und klingt irgendwie arabisch, finden Sie nicht? Wäre im Wiener Wahlkampf doch ein würdiger Nachfolger für „Daham statt Islam“: Wegcha mit Mekkcha!

dietmar.krug@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.05.2010)

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