Über die Preußen, Teil 1

Sie stehen für Pflicht, Disziplin und Härte. Sie waren liberal, tolerant und aufgeklärt. Wie passt das zusammen?

Dass wir Deutschen unseren Kosenamen von einem preußischen Militärmusiker haben, davon war bereits die Rede. Seltsam unzeitgemäß ist das, denn wenn Johann Gottfried Piefkes Taufkinder heute eines nicht mehr sind, dann Militaristen. Mit Pazifismus kann man in Deutschland Wahlen gewinnen, Ex-Kanzler Schröder hat es vorgemacht.

Wer waren eigentlich diese Preußen, deren Land man heute auf keiner Karte mehr findet? Dass man mit ihnen vor allem Militär, Pflicht und karge Kost verbindet, kommt nicht von ungefähr. Den alten Fritz hat man „den Großen“ getauft, weil er den Österreichern Schlesien geklaut und es fertig gebracht hat, sieben Jahre lang gegen eine hoffnungslos überlegene Allianz Krieg zu führen, ohne unterzugehen. Na, bravo! Das Instrument dafür, eine für das Land monströs überproportionale, auf Gleichschritt gedrillte Armee, hatte ihm sein Vater hinterlassen, der „Soldatenkönig“. Vier Fünftel des Staatshaushalts waren dafür draufgegangen, im Rest des Landes herrschte preußische Sparsamkeit, übrigens auch bei Hofe.

Der Nebeneffekt dieses Aberwitzes war ein nüchterner Vernunftstaat, dem die Aufklärung von oben verordnet wurde. Um die Armee zu finanzieren, brauchte man eine effiziente, unbestechliche Finanzverwaltung. Und damit die Eintreiber auch etwas einzutreiben hatten, förderte man die Wirtschaft und holte hunderttausende Arbeitskräfte ins Land. Dadurch wurde Preußen zum Rettungshafen für die Verfolgten aus aller Tyrannen Länder, so auch für 20.000 Salzburger Protestanten.


Den „Schwarzen Adler“, den höchsten preußischen Orden, zierten die Worte Suum cuique („Jedem das Seine“) – solange er seine Pflicht tut, möchte man ergänzen. Im 18. Jahrhundert, der Zeit von Preußens Aufstieg zur Großmacht, war das Land erstaunlich liberal, eher aus Gleichgültigkeit denn aus Menschenfreundlichkeit, doch so auf der Höhe der Zeit, dass Hegel im preußischen Staat geradezu die Spitze des Weltgeistes sah.

Als sich ein preußischer General, ein frommer Protestant, einmal bei Hofe verspätete und sich damit entschuldigte, er habe das Abendmahl genommen, meinte Friedrich der Große zu ihm: „Nun, Zieten, haben Sie den Leib Ihres Erlösers gut verdaut?“ Unvorstellbar, dass je einem Habsburger so etwas über die Lippen gekommen wäre! Sicher, auch für Österreich war das Jahrhundert der Aufklärung eine Zeit der Reformen, aber vieles versandete, blieb halbherzig. Barock und Katholizismus haben das Land weit tiefer geprägt.

Die Spuren, die Preußen in meinem Heimatland hinterlassen hat, die fragwürdigen wie die guten, sie markieren den mentalen Graben, der sich bis heute zwischen „uns“ auftut. Einfach nicht kleinzukriegen, dieser Piefke.

dietmar.krug@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2011)

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