Zentralbauten vom Galitzinberg bis Mitte: Hier wird geklotzt

Nun soll auch das Wiener Wilhelminenspital neu errichtet werden, die alten Pavillons sollen verschwinden. Lamento eines Nichtarchitekturkritikers.

Wenn schon siech und stationär, dann auf dem ersten Anstieg zum Galitzinberg, in einem der schlichten Pavillons des Wilhelminenspitals, zwischen denen jetzt noch das Laub und bald schon der Schnee liegt...

Dieses tröstliche Bild kann ich jetzt vergessen (oder muss vor der Zeit siech und stationär werden). Denn der Wiener Bürgermeister hat verkündet, dass bis 2024 die angeblich im Betrieb teuren Pavillons des Wilhelminenspitals verschwinden werden, sie sollen einem „Zentralbau“ und einer „Zentralklinik“ weichen. Was das kosten soll, ist laut zuständigen Politikern nicht einmal ungefähr abschätzbar, Hauptsache zentral.

Ein Entwurf zeigt einen mit schlichtestem Rautenmuster à la Schrebergartenhütte für Riesen zugerankten Quader, auf dem Modellbild behübscht durch künstliche Sonnenreflexe, die wohl suggerieren sollen, wie sommerlich man sich dort fühlen wird. Wie's mit den Lichtverhältnissen im Inneren aussehen wird, ahnen wir aus der Kenntnis eines älteren Zentralbaus: aus dem AKH, wo Angestellte über Depressionen klagen, weil sie den ganzen Tag kein natürliches Licht sehen.

Ein soeben fertiggestellter Zentralbau verstellt mir neuerdings den Blick vom Rochusmarkt auf die Innenstadt: „Wien Mitte“ oder „Mall“ nennt er sich und erfüllt laut Werbespruch alle Bedürfnisse, die sich die Betreiber wohl vorstellen können („eat, drink, shop“). Die eloquenteste Architekturkritik kann mir diesen glasigen, aus monströsen Bullaugen glotzenden Klotz nicht schönschreiben; die Vorstellung ist mir unerträglich, in einer Ära zu leben, die so wenig feinsinnig, so grobschlächtig ist wie dieser Bau. Nur das Hotel auf dem Kahlenberg stört das Auge noch brutaler.

Wenn er nicht so fatalistisch wäre, könnte man sich mit dem Gedanken trösten, dass solchen Gebäuden oft kein langes Leben beschieden ist. Nehmen wir das zwischen 1978 und 1995 errichtete Universitätszentrum Althanstraße: Dessen Nordteil, den meine Generation noch „neue WU“ nennt, ist laut Experten nach kaum 30Jahren „leicht desolat“ und muss „umfassend saniert“ werden, die neue neue WU zwischen Messe und Prater wird schon im nächsten Wintersemester bezogen. Ihre Formen sind wenigstens keine rohen Quader, sondern schräge Parallelepipede, wie sie Architektin Zaha Hadid liebt. Deren Haus am Donaukanal ist indessen nicht gerade rasend begehrt.

Wir werden sehen, wie lange die neue neue WU ihren Zweck erfüllt. Das zeitlos schöne Hauptgebäude der Wiener Uni am Universitätsring hat übrigens bald 130 Jahre hinter sich, und niemand überlegt ernsthaft, es abzureißen oder umzuwidmen.

E-Mails an: thomas.kramar@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2012)

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