Land des Durchschlags? Der Klammeraffen?

Jetzt hat auch Irmgard Griss den Bundeshymnendiskurs für sich entdeckt: Sie stellt die Hämmer infrage.

Wir hatten schon befürchtet, der Hymnendiskurs sei versiegt, da lässt ihn eine große Tochter neu sprudeln: Irmgard Griss hat nicht nur bemerkt, dass „Heimat bist du großer Töchter und Söhne“ rhythmisch etwas fordernd ist, sie stößt sich auch an einer anderen Zeile. „,Land der Hämmer, zukunftsreich‘ – hat das noch etwas mit dem heutigen Österreich zu tun?“, fragt sie im gestrigen „Österreich“, und diesem Heimatblatt wollen wir doch glauben.

Tatsächlich gibt es keine andere europäische Hymne, in der Hämmer vorkommen, was man freilich auch als Distinktionsvorteil sehen und nutzen könnte. Überhaupt sind in Hymnen die Werkzeuge rar, mit Ausnahme der martialischen. So erkennen die Griechen im „Ymnos is tin Eleftherian“ ihr Vaterland „an der Klinge des Schwertes, der gewaltigen“, und in der norwegischen Hymne schärfen Bauern ihre Äxte, statt sie in Pflugscharen umzuschmieden. Auch das „sang impur“, das in der „Marseillaise“ die Furchen tränken soll, quillt wohl nicht aus Wunden, die sich der Landmann oder die Landfrau durch ungeschickten Umgang mit der Egge zugefügt hat.

Dass auf die Hämmer so unmittelbar das Adjektiv „zukunftsreich“ folgt, ist übrigens Ergebnis erster Änderungen aus dem Jahr 1947: In der ursprünglichen Version von Paula Preradović lauten die zweite und dritte Zeile: „Land der Äcker, Hämmer, Dome, arbeitsam und liederreich“, wie auch die „Brüderchöre“ zuerst „brüderliche Chöre“ waren, was gendermäßig aber keinen Unterschied macht.

Meint Griss, dass mit den prominenten Hämmern die Industrie über Gebühr betont wird? Die Werkzeuge des tertiären Sektors sind leider so unbeständig: Man stelle sich nur vor, man hätte bei einer Umdichtung der Achtziger die Faxgeräte in die Hymne eingebaut! Büroklammern mögen zeitloser sein, aber zukunftsreich? (Vom Versmaß abgesehen.) Obwohl: Sie hätten den Vorteil, dass man sie auch als Symbole im virtuellen Raum kennt. Wer eine Datei an ein Mail hängt, verwendet sie; so wie man, wenn man jemanden „in cc“ setzt, eine virtuelle „carbon copy“ anfertigt, einen Durchschlag, wie man einst in unseren Ämtern sagte.

Doch auch den Hammer kann man metaphorisch verwenden, wie Richterinnen wissen: als Symbol für ihre Autorität. Und auch sie können damit Nägel auf den Kopf treffen, nachdem sie diese mit Köpfen gemacht haben. Land der Nägel, hoffnungsreich? Reden wir darüber!

E-Mails an: thomas.kramar@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2016)

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