Viel Pech mit Tschaikowsky

Mit dem „Eugen Onegin“, Tschaikowskys introvertiertem Meisterwerk, hatte die Staatsoper in ihrer jüngeren Geschichte wenig Glück.

Mag sein, viele trauern angesichts des schwarzen Lochs, das nun an Stelle eines Bühnenbilds zu sehen ist, den historisierenden Dekors der früheren Regiearbeit nach. Doch diese galt schon am Premierenabend, im November 1973, als Ersatzvornahme. Trat doch der rare Fall ein, dass schon bei der ersten Aufführung einer Produktion der Vermerk „nach einem Bühnenbild von...“ auf dem Programmzettel zu lesen stand.

Jürgen Rose war damals der Bühnenbildner. Er sollte „Eugen Onegin“ mit Rudolf Noelte erarbeiten, der sich aber schon im Vorfeld distanzierte. Nachdem auch der vorgesehene Dirigent verschwand, galt die Premiere (mit Bernd Weikl und Eva Marton) als Notlösung. Wie das bei Notlösungen so geht, sie blieb Wien über Jahrzehnte erhalten. Es ist auch kein Zufall, dass Seiji Ozawa den „Onegin“ für den Beginn seines langsamen Abschieds von der Position des Staatsopern-Musikdirektors gewählt hat. Einer Wiederaufnahme besagter Behelfsinszenierung galt einst sein Einstand als Operndirigent in Wien.

Auch der freilich verlief nicht ohne Pannen. Weil der damalige Musikdirektor, Claudio Abbado, unbedingt eine Rossini-Oper, die er wenig zuvor höchstselbst einstudiert hatte, noch einmal ausführlich probieren wollte, musste Ozawas geplantes Debüt mit Tschaikowsky verschoben werden. Als es dann, später als vorgesehen, doch stattfand, waren Wiens Opernfreunde beglückt über den Wohlklang, der da aus dem Orchester strömte. Mirella Freni, Peter Dvorsky, Wolfgang Brendel und Nikolai Ghiaurov sangen damals – es war die erste Aufführung des Werks in russischer Sprache.

Nun hätte man denken sollen, der Dirigent, der einst just mit diesem Stück so gute Erfahrungen gemacht hat, würde sich von keinem Regisseur der Welt eine Bühne bauen lassen, die jegliche musikalische Feinarbeit mit Singstimmen im Keim töten, weil mangels akustisch reflektierenden Bühnenbildes in alle Richtungen verblasen lässt. Er würde sich auch verbitten, dass, weil just im Festsaal beim Fürsten Gremin plötzlich Treppen eingebaut sind, weder die Polonaise noch eine Ecossaise getanzt werden kann – dass man letztere sogar kurzerhand streicht, wodurch die formale Balance mit dem Schluss des vorletzten Bildes der Oper (nicht zu reden von der musikalischen Dramaturgie) vollständig aus dem Lot gerät.

All das ist dennoch geschehen. Und die Verbindung zwischen dem Orchester und seinem Musikdirektor ist keineswegs so innig geworden, dass sich gegenüber der einstigen symphonischen Harmonie noch eine fein modellierte musikalische Sprache herausgebildet hätte, die auf große Vertrautheit und gemeinsames Gestaltungsvermögen schließen ließe. Im Gegenteil: „Onegin 2009“ klingt unpersönlicher, weniger engagiert, beiläufiger als 1988. Der Musikdirektor, das unbekannte Wesen.


wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2009)

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