Böse Mädchen? Böse Mädchen!

Im Hinterkopf noch die unlängst an dieser Stelle geäußerte Anmerkung, öffentliches Fluchen besser zu unterlassen, wird es heikel, aus dem österreichischen TV-Hauptabendprogramm zu zitieren. Da hörte man bei einer Reality-Serie vor einigen Tagen nämlich von ein paar jungen Grazerinnen den feministisch äußerst überraschenden Trinkspruch: „Sch... auf die Liebe – pudern!“ Was ihren eben dafür aus St. Pölten angereisten Facebook-Bekanntschaften natürlich bestens gefiel. Bis diese herausfinden mussten, dass die flotte Beute leider noch im elterlichen Bau hauste...

Sind das die Riot-Grrrrls von heute? Hohles pseudofeministisches Posing, nur um von der Party-Reality-Soap direkt in die nächste, über Teenager-Mütter, zu kommen? Deprimierend. Aber wer kann schon behaupten, dass es so einfach wie in den 60er-, 70er-Jahren wäre, eine klare feministische Haltung zu finden? Auch in der Kunst.

No more bad girls?“ fragt auch eine Ausstellung in der Kunsthalle Exnergasse. Gezeigt wird, wie differenziert Künstlerinnen sich heute mit weiblichen Rollenbildern auseinandersetzen. Die Themen reichen von Brustkrebs oder kulturellen Unterschieden über das chinesische Mosuo-Matriarchat bis zur traurigen Sexbomben-Parodie: Elodie Pong räkelt sich im Pandabärkostüm an der Stange. Immer noch aber fesselt das mittlerweile schon zehn Jahre alte Video Ene-Liies Sempers: Man sieht nur ihren liegenden Kopf. Eine männliche Hand öffnet ihr den Mund. Schaufelt Erde hinein. Pflanzt eine Primel (in England Symbol der Konservativen). Und gießt sie. Vielleicht sollten Mädchen heute zumindest wieder genauer darauf achten, welche Sprachgewächse sie sich von Männern in den Mund legen lassen. Und in welche nächste spießige Reality-Soap sie diese führen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2010)

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