Wanted: Familienglück nach Wahl

Wahlfreiheit bei der Vereinbarkeit von Familie und Erwerb bedingt gleiche Wertschätzung unterschiedlicher Familienformen und Kostenwahrheit.

Siebenundneunzig Jungfamilien verbringen derzeit mit ihren zweihundertsiebzig Kindern eine Ferienwoche im steirischen Pöllau – ohne Animateure, denn die Eltern spielen selber mit ihren Sprösslingen – und sind verheiratet, und in vielen Fällen arbeiten die Frauen und Mütter hauptberuflich als Familienmanagerinnen (= Hausfrauen). Sie haben mich gefragt, ob sie sich überhaupt noch als normale Familien fühlen dürfen oder eine rückständige Randgruppe sind, wo doch in der öffentlichen Meinung heutzutage die moderne Familie meist alleinerziehend ihr Lebensglück in der Erwerbsarbeit sucht und die kleinen Karrierekiller möglichst schnell in kollektive professionelle Fremdbetreuung gibt!

Hier kann es nur eine Antwort geben: Jede Familie hat ein Recht darauf, ihr Leben so zu gestalten, dass es allen Beteiligten dabei möglichst gut geht. Die Entscheidung über die innerfamiliale Aufteilung und Intensität von Erwerbsarbeit und Familienarbeit muss Privatsache bleiben und darf nicht durch staatliche Lenkungsmechanismen eingeengt werden. Eine Voraussetzung ist die Gleichwertigkeit von Familienarbeit und Erwerbsarbeit – gemeinsam mit der dritten Arbeitssäule, den in unserem Land ehrenamtlich erbrachten Leistungen.

Sozialstaffel auch für Tagesmütter

Derzeit werden 90 Prozent der unter dreijährigen Kinder und 80 Prozent der pflegebedürftigen Senioren von ihren Familien betreut und dadurch die Budgets massiv entlastet. Dazu ein Beispiel aus meiner Erfahrung als Gemeinderätin: Laut Kostenstellenrechnung der Stadt Graz verursacht die Bereitstellung eines städtischen Kinderkrippenplatzes pro Kind und Monat Gesamtkosten von bis zu 2500 Euro. Unter 1500 Euro kommen auch private Krippen nicht aus. Dank des sozial gestaffelten Tarifmodells zahlen die Eltern durchschnittlich 100 Euro im Monat – den Rest berappt der Steuerzahler. Seit Jahren fordere ich auch eine Sozialstaffel bei Tagesmüttern, die ebenso qualitätsvolle Betreuungsleistungen erbringen und mit ihrem Angebot vielen Eltern entgegenkommen. Derzeit müssen die Eltern aber für einen Ganztagesplatz bei der Tagesmutter 361 Euro pro Kind und Monat berappen, obwohl die Gesamtkosten wesentlich geringer sind als in Krippen. Die meisten Eltern brauchen aber nach wie vor für ihre unter dreijährigen Kinder keine Betreuungseinrichtungen, weil sie Familienarbeit und Erwerbsarbeit so vereinbaren wollen und können, dass die Kleinen nicht frühmorgens außer Haus gebracht werden müssen!

Übrigens: Die Ehe ist nach wie vor die bei weitem häufigste und stabilste Familienform, die laut aktuellen Jugendwertestudien auch von zukünftigen Eltern in hohem Maße angestrebt wird. Wir müssen daher alles daran setzen, dass es möglichst vielen Menschen gelingt, diesen Lebenstraum zu verwirklichen! Dazu gehört die Vorbereitung der Jugend auf verantwortungsbewusste Familiengründung ebenso wie Ehevorbereitung und eine Intensivierung der Partner- und Elternbildung – auch der ORF sollte hier seinen Bildungsauftrag ernst nehmen! Ebenso wie bei der Wirtschaftsförderung sollte man viel mehr ins Gelingen des Unternehmens Familie investieren und Paare ermutigen, in Krisen auch professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wenn es zur Trennung und Scheidung kommt, muss es besonders intensive Unterstützungsmechanismen für Alleinerzieherfamilien geben, damit Mütter und Väter weiterhin ihren Kindern gute Eltern sein können.

Nicht in Familien hineinregieren

Die Wünsche und Bedürfnisse der Familien sind unterschiedlich – die Politik soll nicht in die Familien hineinregieren, sondern für Rahmenbedingungen sorgen, die wirklich Familienglück nach Wahl erleichtern! Der Mut zu Kindern wird durch klare gesellschaftspolitische Signale gefördert werden, wie das Beispiel Frankreich zeigt: Betreuungseinrichtungen werden ebenso gefördert wie Familien, die ihre Kinder selbst betreuen, und kinderreiche Familien zahlen keine Lohnsteuer – die höchste Geburtenrate Europas ist das Resultat der gesamtgesellschaftlichen Wertschätzung der Familien. Hier geht es nicht nur um finanzielle Rahmenbedingungen. Wir hören viel zu selten, wie beglückend es ist, Kinder ins Leben zu begleiten – das erste Lächeln, den ersten Schritt, das erste Wort zu erleben kann mindestens so spannend sein wie Bungee-Jumping oder eine Weltreise!

Das aktuell heißeste Eisen der Familienpolitik ist wohl das Kinderbetreuungsgeld. Wie schade, dass der Superstar – das Wahlversprechen lautete „Kinderbetreuungsgeld für alle Familien“ seit seiner Geburt an der Zuverdienstgrenze krankt. Der Katholische Familienverband und die steirischen ÖVP-Frauen haben diese Einschränkung der im Regierungsprogramm viel gepriesenen Wahlfreiheit immer abgelehnt. Der erste Fehler passiert in der verbalen Kommunikation. Es handelt sich nicht um ein „Kindergeld“ als „Kinderprämie“, sondern, wie der im Gesetz festgeschriebene Name klarmacht, um ein „Kinderbetreuungsgeld“ als Abgeltung der Betreuungsleistung. Im Sinne der Generationenbalance sollte es für alle jungen Familien das Betreuungsgeld ebenso ohne Wenn und Aber geben wie Senioren ohne Zuverdienstgrenzen Anspruch auf Pflegegeld haben. Es muss den Familien die Wahlfreiheit gelassen werden, in welchem Ausmaß sie Betreuungsleistungen selbst erbringen oder zukaufen. Das alte Karenzgeld war eine ursprünglich aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung finanzierte Versicherungsleistung als Abgeltung des Einkommensentfalls in Karenz befindlicher vorher unselbständig erwerbstätiger Eltern. Das Kinderbetreuungsgeld erfüllt eine andere Aufgabe: Es honoriert die Betreuungsarbeit, die für unter dreijährige Kinder besonders aufwändig ist. Man sollte daher in einem weiteren Schritt einen 50-prozentigen Bonus für unter dreijährige Geschwister einführen, den es derzeit bereits für Mehrlinge gibt! Zur Abgeltung des Einkommensentfalls hat der Katholische Familienverband bereits 1998 ein Zwei-Säulen-Modell präsentiert, wonach aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung ein einkommensabhängiger Karenzgeldzuschlag finanziert werden sollte – dies wäre sicherlich ein Anreiz für Väter, in Karenz zu gehen!

Faule Lösung

Ich gebe der Frauenministerin Recht, wenn sie die Zuverdienstgrenze als „Murks“ bezeichnet – doch eine zeitliche Beschränkung der Erwerbsarbeitszeit trägt nicht zur Rechtssicherheit bei. Haben alle Verantwortlichen den Paragraf 8 des Kinderbetreuungsgeldgesetzes gelesen, wo der Einkommensbegriff definiert wird? Wie soll die Hausfrau, die (zu Jahresbeginn in der Höhe nicht abschätzbare) Einnahmen aus Vermietung, Verpachtung oder Kapital hat, ihre Erwerbsarbeitszeit reduzieren – oder die Künstlerin, die Bäuerin oder die Unternehmerin?

Warum sollen Eltern, die beide teilzeiterwerbstätig sind, und ihre beiden unter dreijährigen Kinder abwechselnd betreuen, als Akademiker benachteiligt sein? Seit Jahren sind die verfassungsrechtlichen Bedenken bekannt – das Gutachten von Michael Lang liegt seit Juni 2000 im ressortzuständigen Ministerium und ist seither auch durch Medien und Familienorganisationen veröffentlicht worden. Die Notbremse von Minister Haupt, per Weisung von Rückforderungen abzusehen, sollte der Politik die Blamage ersparen, dass das Gesetz fehlerhaft ist – eine faule Lösung, die viele Familien verunsichert hat. Verfassungsexperten haben sich wiederholt zu Wort gemeldet – Werner Doralt, Wolfgang Mazal und Heinz Mayer sind hochkarätige Anwälte der Rechtssicherheit und Wahlfreiheit für Familien.

Kraftanstrengung für Zukunftsträger

Die Regierung darf die Familienministerin nun nicht im Regen stehen lassen, die Rechtssicherheit will, die Realisierung der Wahlfreiheit durch eine Abschaffung der Zuverdienstgrenze aber nur erreichen kann, wenn die Bundesregierung sich zu einem klaren Signal und einer budgetären Kraftanstrengung für die Zukunftsträger unseres Landes entscheidet: Die zusätzlich erforderlichen 300 Millionen Euro, um allen Familien drei Jahre lang das Betreuungsgeld geben zu können, sind die beste Zukunftsinvestition! Damit werden auch die für Betreuungseinrichtungen zuständigen Gemeinden und Länder entlastet, weil dann junge Eltern die gleiche Wahlfreiheit haben, Betreuungsleistungen zuzukaufen wie Senioren mit dem Pflegegeld und die von Familien selbst erbrachten Leistungen ebenso honoriert werden – und ihnen das „Ja zu Kindern“ leichter fällt. Kinderlachen ist Zukunftsmusik!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2007)

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